Spannende Zeit für jeden Viertklässler: Die Übertrittszeugnisse stehen an. Während die Eltern noch grübeln, haben wir mit drei Experten gesprochen: Wie entscheidend ist der Schulübertritt? Und ist die Mittelschule wirklich ein „Auffangbecken für gescheiterte Schulkarrieren“?
Wir sprachen mit Wirtschaftsministerin und Schirmherrin der Initiative Ilse Aigner (CSU), Landrat Wolfgang Rzehak (Die Grünen) und Schulamtsdirektor Peter Huber über den Schulwechsel, die Bedeutung der Mittelschule, und welche Fächer bei ihnen beliebt waren. In einem waren sich alle drei einig: „Eltern, übt keinen Druck aus“.Stress für die Grundschüler der vierten Klassen: Die Übertrittszeugnisse stehen an. Ein wichtiger Schritt für die Kleinen, die im Durchschnitt zehn Jahre alt sind. Und ein Grund, ihnen auf dem Weg in die Zukunft behilflich zu sein.
Holzkirchner Stimme: Der Schulwechsel für die Viertklässler steht an. Wie war das bei Ihnen? Welche Schule haben Sie nach der Grundschule besucht?
Ilse Aigner: Zunächst das Gymnasium. Meine Noten waren sehr gut. Trotzdem bin ich nach der 6. Klasse auf die Realschule gewechselt. Für mich stand damals schon fest, dass ich eine Lehre machen und dann in den elterlichen Betrieb einsteigen will. Die Praxis hat mir mehr Spaß gemacht als die Theorie.
Wolfgang Rzehak: Ich war auf dem Gymnasium Miesbach. Allerdings bin ich in der Probezeit durchgefallen, sodass ich das restliche Schuljahr an der Hauptschule in Miesbach verbracht habe. Ab der 5. Klasse durfte ich es noch einmal versuchen und machte am Gymnasium Tegernsee weiter.
Peter Huber: Nach der 4. Klasse wechselte ich auf das humanistische Gymnasium. Mit der Sprachenfolge Latein, Englisch und Griechisch.
Waren Sie zufrieden mit Ihrer Wahl, oder hätten Sie lieber eine andere Schule besucht?
Aigner: Ich bin zufrieden. Es war alles gut so wie es lief. Ich hatte eine unglaublich tolle Zeit auf der Realschule und habe sehr viel fürs Leben gelernt. Und nebenbei bemerkt: Wenn man schon 13 Jahre im Berufsleben steht, bevor man wie ich mit 29 in die Politik wechselt, dann ist das ein Erfahrungsschatz, der mir oft geholfen hat.
Rzehak: Damals war alles sehr strikt. Wer welche Schule besuchen durfte, hing von den Gesellschaftsschichten ab. Der Sohn des Apothekers, der Sohn des Bankdirektors und der Sohn des Unternehmers gingen auf das Gymnasium. Die Kinder der Mittelschicht auf die Real-oder Wirtschaftsschule. Arbeiter- und Bauernkinder besuchten die Hauptschule. Der damalige Direktor in Miesbach sagte zu meinem Vater: „Ihr Sohn ist nicht bildungsfähig!“ Dabei war ich einfach noch nicht reif fürs Gymnasium. Ich war viel zu kindlich und verspielt. Gott sei Dank hat mein Vater nicht auf ihn gehört und schickte mich aufs Gymnasium in Tegernsee. Allerdings machte er mir auch klar, dass damit der Ernst des Lebens beginnt und ich nun ernsthaft lernen müsste. 1989 habe ich dann Abitur gemacht.
Huber: Rückblickend war das humanistische Gymnasium für mich die beste Wahl, und auch meine Wunsch-Schule.
Haben Sie damals viel Druck von Ihren Eltern bekommen?
Aigner: Meine Eltern übten keinerlei Druck auf mich aus. Für sie war es auch keine Prestige-Frage.
Rzehak: Druck? So würde ich es nicht beschreiben. Bildung hatte in meiner Familie immer schon einen sehr hohen Stellenwert, weil wir nicht viel besaßen. Meine Familie wurde vertrieben und hatte alles verloren. Wir mussten uns alles wieder erarbeiten – dafür ist Bildung unerlässlich.
Huber: Ich hatte keinen Druck von meinen Eltern.
Ein Schulübertritt ist eine wichtige Entscheidung, quasi eine Weichenstellung fürs Leben. Sind 10-Jährige nicht damit überfordert? In anderen Bundesländern wird erst zwei Jahre später gewechselt…
Aigner: Das Bayerische Schulsystem ist eines der durchlässigsten und flexibelsten Schulsysteme überhaupt. Es gibt keinen Abschluss ohne Anschluss. Der Weg ist von der Mittelschule/Realschule über die Berufs- oder Fachoberschule (BOS/FOS), oder von der Lehre bis zum Studium möglich. Man kann sich auch nach der Lehre auf seinem beruflichen Weg weiterbilden. Bei mir war es beispielsweise die zweijährige Technikerschule, die ich nach der Lehre zur Radio- und Fernsehtechnikerin besucht habe. Das ist durchaus mit einem Bachelor vergleichbar.
Rzehak: Es wird oft gesagt, dass der Übertritt in Bayern zu früh erfolgt, und sowohl Kinder als auch Eltern unnötig unter Stress setzt. Aber zum einen ist die Hauptschule sicherlich keine „schlechte“ Schulart, zum anderen sind die Weichen ja noch nicht endgültig gestellt, wenn man seine Bildungskarriere als Kind an der Mittelschule beginnt. Später kann man immer noch auf eine andere Schule wechseln und sogar das Abitur machen. Manche Kinder sind Spätzünder, entwickeln sich erst später. Das sollten Eltern berücksichtigen, bevor sie Druck ausüben und ihre Kinder überfordern.
Huber: Ich empfand den Schulwechsel als nicht zu früh. Ich wollte unbedingt auf dieselbe Schule wie mein älterer Bruder gehen. Wenn bei einem 10-Jährigen der für ihn beste Schulweg noch nicht feststeht, sollte er nicht gezwungenermaßen über das Gymnasium oder die Realschule gehen. Auch wenn letztlich die Hochschulreife das Ziel ist – es gibt andere Wege, die dahin führen.
Das vollständige Interview lesen Sie bei der Holzkirchner Stimme.