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3. Die Romanze im Detektivroman: Harriet Vane

Dorothy L. Sayers hat sich noch 1928 in The Omnibus of Crime gegen die Einführung einer Liebesromanze gewehrt. Sie meine, daß entweder die Romanze oder die Detektivgeschichte an Glaubwürdigkeit einbüßen würden. Sayers schreibt, daß es nur wenigen Autoren gelungen sei, eine glaubhafte Verknüpfung zu erreichen.

“Apart from such unusual instances as these the less love in a detective story, the better. ‘L´amour au théâtre,’ says Racine, ‘ne peut pas être en seconde place,’ and this holds good of detective fiction. A casual and perfunctory love-story is worse than no love-story at all, and, since the mystery must, by hypothesis, take the first place, the love is better left out.”[1]

Der Grund hierfür ist, daß es dem Detektiv möglich sein muß, rational an die Lösung des Problems zu gehen. Er darf sich nicht durch seine Gefühle für die eine oder andere Person, die für ihn zum Kreis der Verdächtigen gehören müssen, ablenken lassen. Wird er abgelenkt, wird er für den Leser von Kriminalromanen uninteressant. Sayers sieht hier ein kaum zu lösendes Problem.

“There is the whole difficulty about allowing real human beings into a detective-story. At some point or other, either their emotions make hay of the detective interest, or the detective interest gets hold of them and makes their emotions look like pasteboard.”[2]

Trotzdem unternimmt Sayers in Strong Poison dieses Wagnis und führt die Person der Harriet Vane, der späteren Lady Peter Wimsey ein.

Harriet Vane ist die Partnerin in einer Reihe von Lord-Peter-Wimsey-Abenteuern. Sie spielt eine entscheidende Rolle für die Entwicklung Lord Peters vom Superdetektiv zu einer Figur eines realistischen Romans. Zu diesem Zweck gilt es, zwei Hindernisse zu überwinden: das eine ist die silly-ass-about-town-Haltung, seine Rolle des geistig minderbemittelten Adligen, die für Wimsey so typisch ist, und das andere seine Rolle des Superhelden. Sayers waren Wimseys übermenschliche Fähigkeiten und seine unterentwickelte Persönlichkeit sehr bewußt. Sie benutzt Harriet Vane, um sowohl die Notwendigkeit als auch die Mittel für Lord Peter Wimseys Veränderung zu schaffen. Peter hatte sich durch eine Reihe von Büchern hindurch weiterentwickelt. Bereits in Strong Poison hatte Sayers ihm Charaktereigenschaften und Informationen aus seiner Vergangenheit mitgegeben, die ausbaufähig waren. Um aber zu einem menschlichen Charakter zu werden, brauchte er Unterstützung. Margaret P. Hannay sieht Harriets Aufgabe so:

“Peter has come as far into humanity as he could on his own. If he is to progress into fuller life, he needs help. Sayers provides that help in the person of Harriet Vane, who is the catalyst of Peter´s humanity in several important ways: she provides the necessity for developing his character, she serves as an indirect narrator in love with the hero, thus relieving the author of that charge; she functions as a ficelle within the story, allowing Peter to reveal both his crushing sense of responsibility for getting people hanged and his many personal weaknesses.”[3]

Damit wird Harriets Aufgabe in Strong Poison, jedoch noch mehr in den folgenden Romanen, deutlich umrissen. Sie dient als Mittel für Wimseys weitere Entwicklung, indem sie zum einen als Kontrast wirkt und zum anderen teilweise die Erzählerfunktion übernimmt und dadurch die Sicht einer dritten Partei verdeutlichen kann.

3.1  Lord Peter Wimsey und Harriet Vane: Der Ritter und die Prinzessin

Harriet Vane wird in Strong Poison angeklagt, ihren ehemaligen Lebensgefährten Philip Boyes mit Arsen vergiftet zu haben. Charles Parker, der Freund Wimseys bei Scotland Yard, hat im Vorfeld des Buches den Fall untersucht und genügend Beweise gesammelt, die Harriet Vane als Schuldige wahrscheinlich machen und die ausreichend sind, sie zum Tode zu verurteilen. Der Leser, wie auch Lord Peter Wimsey, lernt Harriet als Angeklagte im Gerichtssaal kennen, während der Richter den Fall noch einmal für die Geschworenen zusammenfaßt, um ihnen die Entscheidung zu erleichtern. Er tut dies auf eine Art, die deutlich macht, daß er von ihrer Schuld überzeugt ist.

So sagt er:

“‘The Prisoner is also a novelist by profession, and it´s very important to remember that she is a writer of so-called ´mystery´ or ´detective´ stories, such as deal with various ingenious methods of commiting murder and other crimes.’”[4]

Ein Mitglied der Jurie gehört zu Lord Peters Bekanntenkreis. Es ist Miss Climpson, eine Figur, die Dorothy L. Sayers bereits in Unnatural Death[5] verwendet hat. Miss Climpson ist eine ledige, ältere Dame mit gesundem Menschenverstand. Sie verkörpert das Klischee der spinster und ist der Miss Marple von Agatha Christie, die erst später entstand, sehr ähnlich. Lord Peter Wimsey beschäftigt sie als Kopf einer Privatagentur, die sich als Schreibbüro tarnt, tatsächlich aber ihm gelegentlich Hilfestellung leistet und sich ansonsten mit der Entlarvung von Betrügern und Scharlatanen beschäftigt, die sich die vermeintliche Leichtgläubigkeit von Personen, die einen ähnlichen, gesellschaftlichen Status wie Miss Climpson haben, zu Nutze machen wollen.

Dieser Miss Climpson hat Harriet Vane ihre vorläufige Rettung zu verdanken, denn sie verhindert eine einstimmige Entscheidung der Jury. Nach mehrstündiger Beratung der Geschworenen verkündet deren Sprecher, daß keine Einigung erreicht werden konnte. Der Richter muß daraufhin entscheiden, daß eine neue Verhandlung anberaumt wird.

Lord Peter, der erst kürzlich aus dem Ausland wieder zurückgekehrt ist, verfolgt das Geschehen sehr emotional. Er ist sehr angetan von der Angeklagten und von ihrer Unschuld überzeugt. Nach der Entscheidung eilt er zu Harriets Verteidiger, Sir Impey Biggs, den Sayers bereits in Clouds of Witness[6] als Verteidiger des Dukes of Denver, Wimseys Bruder, benutzt hat, und bestürmt diesen, daß er, Lord Peter Wimsey, an der Bearbeitung des Falles beteiligt werden solle.

Bereits in der Zusammenfassung des zuvor Geschehenen durch den Richter erfahren wir Details über Harriet Vane. Sie ist eine Autorin von Detektivromanen, ledig und selbständig. Sie hatte eine Affäre mit Philip Boyes, seinerseits Autor einiger Bücher, die sich mit Atheismus, Anarchie und “freier Liebe” beschäftigt haben. Mit ihm lebte Harriet Vane zusammen, ohne mit ihm verheiratet zu sein. Sie war ihm zu diesem Zeitpunkt sehr zugeneigt und auch bereit, ihn zu heiraten, hatte sich aber mit seiner Ablehnung gegenüber der Institution Ehe abgefunden. Als Boyes ihr dann einen Heiratsantrag machte, lehnte sie diesen ab und trennte sich von ihm. Bei einem Besuch Wimseys im Gefängnis begründet sie das:

“‘No,(…) Philip wasn´t the sort of man to make a friend of a woman. He wanted devotion. I gave him that. I did, you know. But I couldn´t stand being made a fool of. I couldn´t stand being put on probation like an office-boy, to see if I was good enough to be condescended to. I quite thought he was honest when he said he didn´t believe in marriage – and then it turned out that it was a test, to see whether my devotion was abject enough. Well, it wasn´t. I didn´t like having matrimony offered as a bad-conduct prize.’”[7]

Harriet Vane ist eine stolze Frau, die sich ihres Wertes bewußt ist. Auch Dorothy L. Sayers sollte erfahren, daß sie mit ihr nicht machen konnte, was sie wollte.

Dorothy L. Sayers’ ursprüngliches Motiv, Harriet Vane in ihre Romane einzubringen, war es, sich von Lord Peter Wimsey zu trennen. Sie hatte über sieben Jahre Romane und Kurzgeschichten über ihn geschrieben und wollte ihr Tätigkeitsfeld verändern. Da sie sich aber der Popularität Lord Peter Wimseys bewußt war, wollte sie sich die Peinlichkeit ersparen, der Sir Arthur Conan Doyle ausgesetzt war. Er hatte seinen Helden Sherlock Holmes sterben lassen und mußte ihn auf Druck der Leserschaft wieder zum Leben erwecken, was natürlich kaum möglich war, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Dorothy L. Sayers beschloß daher, Lord Peter zu verheiraten. Da es unter den Autoren von Detektivromanen lange als ungeeignet galt, eine Romanze mit der Aufklärung eines Verbrechens zu verbinden, wählte Dorothy L. Sayers diesen Ausweg.

Bereits bei der ersten persönlichen Begegnung zwischen Harriet und Lord Peter im Gefängnis macht er ihr einen Heiratsantrag.

“‘What I mean to say is, when all this is over, I want to marry you, if you can put up with me and all that.’

Harriet Vane, who had been smiling at him, frowned, and an indefineable expression of distaste came into her eyes.

‘Oh, are you another one of them? That makes forty-seven.’

 ‘Forty-seven what?’ asked Wimsey, much taken aback.

‘Proposals. They come in by every post. I suppose there are a lot of imbeciles who want to marry anybody who´s at all notorious.’

‘Oh,’ said Wimsey. ’Dear me, that makes it very awkward. As a matter of fact, you know, I don´t need any notoriety. I can get in the papers off my own bat. It´s no treat to me. Perhaps I´d better not mention it again.’”[8]

Er hält sich jedoch nicht an diesen Vorsatz und kommt immer wieder auf seine Heiratsabsichten zurück.

Lord Peter Wimsey trägt seinen Antrag auf ausgesprochen ungeschickte Art und Weise vor. Seine Vorgehensweise verrät, daß er sich nicht in die Situation Harriets hineinversetzt hat. Er sieht auch nicht voraus, daß sie sich für einen Preis halten muß, der dem Ritter verliehen wird, der das Turnier gewonnen hat.

An dieser Stelle wird deutlich, in welch unterschiedlichen Situationen die beiden sich befinden. Wimsey geht das Problem mit der ihm gewohnten spielerischen Leichtigkeit an, für Harriet steht ihre Zukunft, ja ihr Leben auf dem Spiel.

Lord Peter Wimsey verändert sich mit dieser Szene. Seine Distanziertheit muß er aufgeben, damit seine Gefühle Harriet gegenüber für den Leser glaubhaft werden. Dorothy L. Sayers muß ihrem Detektiv mehr Tiefe geben. Sie kann der  Struktur des alten Rätselspiels nicht mehr folgen, in dem es nur darauf ankam, den Fall zu lösen. Von diesem Moment an steht auch für Wimsey etwas auf dem Spiel. Er wird involviert.

Der Leser erfährt von seiner mentalen Verwundbarkeit, seiner Eitelkeit. In Harriet findet er einen Partner, der seiner ebenbürtig, in emotionaler Hinsicht ihm sogar überlegen ist. Jessica Mann sieht Wimsey hier in einer alten Tradition:

“He fell in love with her at that unpropitious first sight, when she was in the dock at the Old Bailey, and like Perseus, like St. George, like a knight of the Round Table, rescued her from her peril and sued for her hand in marriage as a reward. (…) At the same time she plays the leading role in a modern replay of a different story, for she is also the Cinderella figure.”[9]

Aber da Sayers’ Helden in modernen Zeiten leben, verhält sich alles etwas komplizierter und dadurch glaubwürdiger. Der Ritter erschlägt den Drachen und rettet seine Geliebte, verzichtet aber auf den Preis; [10] Cinderella wird vom Prinzen umworben, aber sie will ihn nicht. Das ist für Wimsey, mehr noch für die Rolle des Superdetektivs, eine ungewöhnliche Situation. Ein Held wie Wimsey bekommt, was er will. Aber Harriet Vane holt ihn von seinem Podest und stellt ihn mit beiden Füßen auf die Erde.

Dorothy L. Sayers stand vor einem Dilemma. Sie wollte Lord Peter einen Abgang verschaffen, konnte das aber aus zwei Gründen nicht. Erstens war Lord Peter ein kommerzieller Erfolg. Die Leser wollten mehr Lord-Peter-Wimsey-Abenteuer. Zweitens funktionierte ihr Vorhaben, ihn zu verheiraten, nicht so wie geplant.

“But what really stayed my hand was something still more unexpected, and in a sense more creditable. I could not marry Peter off to the young woman he had (in the conventional Perseus like manner) rescued from death and infamy, because I could find no form of words in which she could accept him without loss of self-respect. I had landed my two chief puppets in a situation where, according to all the conventional rules of detective fiction, they should have had nothing to do but fall into one another´s arms; but they would not do it, and that for a very good reason. When I looked at the situation I saw that it was in every respect false and degrading; and the puppets had somehow got just so much flesh and blood in them that I could not force them to accept it without shocking myself.”[11]

Interessant ist hier, wieviel Eigenleben Dorothy L. Sayers ihren Kreationen zugesteht. Weil diese zu sehr realen Persönlichkeiten aus Fleisch und Blut ähneln, kann sie sich nicht dazu durchringen, ihnen ein Verhalten aufzuwingen, das ihrer Figuren unwürdig wäre.

Für Peter beginnt mit Strong Poison eine Entwicklung. War er in den vorangegangenen Büchern der Held mit der komischen Seite, will er nun ernstgenommen werden, denn seine Gefühle gegenüber Harriet sind ernst gemeint. Nicht nur der Leser hat Schwierigkeiten mit Wimseys neuer Einstellung. Auch für seine Mitstreiter kommt die neue Entwicklung unerwartet. So ist Charles Parker erstaunt zu hören, mit welchem Enthusiasmus Wimsey von Harriet redet:

“‘What eloquence!’ said Parker unimpressed. ‘Anybody would think you´d gone goopy over the girl.’

‘That´s a damned friendly way to talk,’ said Wimsey, bitterly. ‘When you went off the deep end about my sister I may have been unsympathetic – I daresay I was – but I swear I didn´t dance on your tenderest feelings and call your manly devotion “going goopy over a girl.” I don´t know where you pick up such expressions, as the clergy-man´s wife said to the parrot. “Goopy”, indeed! I never heard anything so vulgar!’

‘Good lord,’ exclaimed Parker, ‘you don´t seriously say-’

‘Oh no,’ retorted Wimsey, bitterly. ‘I´m not expected to be serious. A buffoon, that´s what I am. I now know exactly what Jack Point feels like. I used to think the “Yeomen” sentimental tosh, but it is all too true. Would you like to see me dance in motley?’”[12]

Auch andere Freunde stellen erste Anzeichen beginnender Veränderungen fest. Marjorie Phelps, eine Künstlerin und alte Freundin, unterstützt Wimsey bei der Suche nach Hinweisen in den Kreisen, in denen der ermordete Philip Boyes und Harriet Vane zu verkehren pflegten. Sie stellt bei ihm eine neue Ernsthaftigkeit fest. Wimsey erschrickt:

“That was the second time Wimsey had been asked not to alter himself; the first time, the request had exalted him; this time, it terrified him. As the taxi lurched along the rainy Embankment, he felt for the first time the dull and angry helplessness which is the first warning stroke of mutability. Like the poisoned Athulf in the Fool´s Tragedy, he could have cried, ‘Oh, I am changing, changing, fearfully changing.’ Whether his present enterprise failed or succeeded, things would never be the same again. It was not that his heart would be broken by a disastrous love – he had outlived the luxurious agonies of youthful blood, and in this very freedom from illusion he recognised the loss of something. From now on, every hour of light-heartedness would be, not a prerogative but an achievement – one more axe or case-bottle or fowling-piece, rescued Crusoe-fashion, from a sinking ship.”[13]

Was Wimsey hier erfährt, die Schmerzen, die er bei den ersten Anfängen seines emotionalen Reifeprozesses empfindet, ist auch für den Leser unerwartet. Helden in Detektivromanen stehen über den Empfindungen der Normalsterblichen. Auch Wimsey konnte sich bisher glücklich schätzen, von Gefühlen verschont zu sein. Aber nachdem er in Harriet einer Frau begegnet ist, die einer realen Figur eher gleicht als der zu rettenden Prinzessin oder Cinderella, wird auch er in diese reale Welt gesogen.

3.3  Dorothy L. Sayers und Harriet Vane

Während sich Lord Peter erst in den Büchern nach Strong Poison zu einer vollständigen Persönlichkeit entwickeln sollte, zeichnete sich Harriet Vane bereits von Anfang an durch eine starke Charakterbeschreibung aus. Das deutlich realer wirkende Erscheinungsbild der Harriet Vane entspringt der Ähnlichkeit, die diese Figur mit der Biographie Sayers’ hat. Beide sind Kriminalautoren, beide sind Oxfordabsolventinnen, beide wohnen zeitweise am Mecklenburg Square in London. Sogar Harriets Affäre mit Philip Boyes findet ihr Äquivalent in der Biographie Sayers’.[14] Harriet ist wie Dorothy bemüht, ihren Romanen einen realistischen Charakter zu geben. Auf diese Weise teilt Dorothy L. Sayers den Lesern ihre Ambitionen hinsichtlich ihrer Arbeit mit.[15] Jessica Mann glaubt, daß Harriet die Frau ist, von der Dorothy L. Sayers dachte, sie wäre ihr Ebenbild. Allerdings hat Sayers ihr noch ein paar Attribute mitgegeben, die zu haben sie sich gewünscht hätte: einen Ehemann, der sie akzeptierte, und physische Attraktivität.[16]

Eine Charakterisierung, die der Richter über Harriet abgibt, könnte in weiten Teilen auf Dorothy L. Sayers bezogen werden:

“‘She is a young woman of great ability, brought up on strictly religious principle, through no fault of her own was left, at the age of twenty-three, to make her own way in the world. Since that time –  and she is now twenty-nine years old – she has worked industriously to keep herself, and it´s very much to her credit that she has, by her own exertions, made her self independent in a legitimate way, owing nothing to anybody and accepting help from no one.’”[17]

Obwohl Sayers’ Eltern noch am Leben waren, als sie mit ihren Büchern erfolgreich wurde, und sie auch zuvor in ihren Bemühungen moralisch und finanziell unterstützt hatten, war Sayers doch immer bemüht, ihren eigenen Weg zu gehen.

Dorothy L. Sayers erreicht, indem sie die Figur der Harriet Vane an ihren eigenen Lebenslauf anlehnt, daß diese Figur lebendig wirkt. Deutlich wird das besonders in Gaudy Night, wo Harriet Vane zum Spiegelbild Sayers’ wird. Sayers hatte ihr Leben lang ein sehr persönliches Verhältnis zu Oxford und eine Sehnsucht, dort ihrer Ausbildung entsprechend zu arbeiten. Auch Harriet wünscht sich, durch wissenschaftliche Arbeit wieder die richtigen Proportionen in ihrem Leben herstellen zu können und kleine Unannehmlichkeiten wieder in die richtigen Relationen gerückt zu sehen.

Suerbaum schreibt über diese Technik, einen Charakter menschlicher wirken zu lassen, und über Harriets Rolle in Gaudy Night:

“Die Autorin erreicht die Aufnahmefähigkeit des Romans für eigene Erfahrungen und Meinungen, indem sie das Bild der Heldin dem Selbstbild annähert. Harriet Vane vom Shrewsbury College ist wie Dorothy L. Sayers vom Somerville College eine Kriminalschriftstellerin mit literarischen Ambitionen, eine Frau mit Emanzipations­problemen und university woman mit höchstem Prädikat im Examen und mit bleibender Sehnsucht nach der akademischen Welt. Auf der Kriminalebene der Geschichte kann sie zunächst als Detektivin eine Hauptrolle spielen. Sie ist aber keine problematisierte und psychologisch komplizierte Version des typischen Kriminaldetektivs, weil sie kaum weiterkommt, und >real< angelegt ist. Sie ist emotional involviert, sie ist mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, sie bleibt gegenüber den Mitgliedern des Senior Common Room in der Haltung der Kollegialität als Frau und Wissenschaftlerin und gegenüber den Bediensteten in der Haltung des Wohlwollens und der Fürsorge. Sie muß daher den Fall abgeben, sobald es ernst wird, und endet im Detektivspiel in der kläglichen Rolle des Helfers, der dem Großen Detektiv die Unterlagen liefert, aus denen der dann – ohne sie ins Vertrauen zu ziehen – die richtige, geniale Lösung entwickelt.”[18]

Harriet ist der emotionale Kontrapunkt zu Lord Peter Wimsey. Sie fühlt mit den Opfern, bringt ihre Persönlichkeit in die Aktion der Handlung mit ein. In den Fällen, bei denen Harriet Peter assistiert, spielen Persönlichkeit und Gewissen eine Rolle für die Entwicklung der Detektivgeschichte. Das war bis dahin untypisch für das Genre.

3.4  Harriets Einfluß auf Wimsey

Wenn in Strong Poison Harriets Leben auf dem Spiel steht, bedeutet das für Wimsey, der sie liebt, die ultimative Herausforderung. Zum ersten Mal ist seine eigene Zukunft bedroht. Die Kriminalistik verliert den Status des Hobbys und wird zur Notwendigkeit. Durch Harriet erfährt Peter die Angst vor dem Tod. Durch die Möglichkeit, daß sie zum Tode verurteilt wird, spürt er seine eigene Sterblichkeit und Ohnmacht. Durch Harriet wird eine Veränderung in Gang gesetzt, die in Gaudy Night ihren Höhepunkt findet und erst in Busman´s Honeymoon vollendet wird.

Die Spiegelszene in Strong Poison beschreibt eine Krise und einen Wendepunkt in Peters Existenz. Er steht in seiner Bibliothek vor den Büchern, die ihm nicht helfen können. Alles Wissen der Welt scheint ihm nichts zu nützen. Er fühlt sich machtlos.

“The great Venetian mirror over the fire-place showed him his own head and shoulders. He saw a fair, foolish face, with straw-coloured hair sleeked back; a monocle clinging incongruously under a ludicrously twitching brow; a chin shaved to perfection, hairless, epicene; a rather high collar, faultlessly starched, a tie elegantly knotted and matching in colour the handkerchief which peeped coyly from the breast-pocket of an expensive Savile-Row-tailored suit. He snatched up a heavy bronze from the mantelpiece – a beautyful thing, even as he snatched it, his fingers caressed the patina – and the impulse seized him to smash the mirror and smash the face – to break out into great animal howls and gestures.

Silly! One could not do that. The inherited inhibitions of twenty civilised centuries tied one hand and foot in bonds of ridicule. What if he did smash the mirror? Nothing would happen. Bunter would come in, unmoved and unsurprised, would sweep up the debris in a dust-pan, would prescribe a hot bath and massage. And the next day a new mirror would be ordered, because people would come in and ask questions, and civilly regret the accidental damage of the old one. And Harriet Vane would still be hanged, just the same.”[19]

Der Spiegel, der Wimsey sein wahres Ich vorführt, reflektiert einen Mann, der nur Äußerlichkeiten vorweisen kann. Wimsey sieht Affektiertheit, Borniertheit, Arroganz – eine bittere Satire auf den britischen Gentleman. Diesen Menschen kann Wimsey nur verachten und er will ihn zerstören. Doch er selbst ist dieser Mensch, und die Erziehung, die ihn zu dem gemacht hat, was er ist, hindert ihn daran, sinnloser Gewalt und Zerstörungswut nachzugeben. Der britische Gentleman ist beherrscht.

So selbstkritisch wurde Wimsey dem Leser noch nie vorgestellt. Für Wimsey ist dies eine Schlüsselszene. Aber bis zur endgültigen Humanisierung der Figur Wimseys ist es noch ein langer Weg.

Die Frage der Heirat bekommt einen übergeordneten Charakter. Harriet Vane, die letzten Endes freigesprochen wird, ist Peter zur Dankbarkeit verpflichtet. Peter liebt Harriet und wünscht sie zu heiraten. Aber er will natürlich nicht, daß sie ihm nur aus Dankbarkeit nachgibt. Sie weiß das, und obwohl sie ihm durchaus wohlgesonnen ist, kann sie sich nicht sicher sein, ob ihre Zuneigung nicht einem Gefühl der Verpflichtung entspringt. Auf dieser Basis ist für sie eine Heirat unmöglich. Allerdings bietet sie Peter an, mit ihm zusammenzuleben.[20] Das lehnt dieser entschieden ab, nicht, weil er um seinen oder ihren Ruf fürchtet, sondern weil er die Frau, die er liebt, heiraten will. Doch dafür ist es noch zu früh.

Have His Carcase, der zweite Roman, in dem Harriet Vane eine Rolle spielt,[21] beginnt mit Harriets Wanderung durch die Küstenregion Englands. Sie findet eine Leiche, die von der Flut weggespült wird. Harriet Vane tritt in diesem Roman nicht als Heldin im romantischen Sinne in Erscheinung.[22] Sie geht mit dem Leichenfund relativ kaltblütig um. Sie untersucht ihn, macht Photos, bedauert hauptsächlich, daß sie nicht so erfahren ist im Umgang mit Leichen wie ihr eigener Romanheld Robert Templeton. Sie benutzt die Leiche für ihre eigene Publicity, um die Verkaufszahlen ihres neuen Buches zu steigern, ohne jedoch zu beachten, daß sie sich damit selbst erneut des Mordes verdächtig macht. Lord Peter Wimsey hört davon und reist ihr nach. Gemeinsam klären sie den Fall. Am wichtigsten ist, daß in diesem Roman viele Details aus Harriets Sicht dargestellt werden. Es wird deutlich, daß Harriet sich von Peter angezogen fühlt. Beide entwickeln eine Freundschaft und Kameradschaft, während sie den Fall zusammen bearbeiten. Wegen der schon erwähnten “Dankbarkeitsposition” Harriets kann sich aus der Zuneigung keine Liebe entwickeln – auch in Have His Carcase nicht.[23]

Mit Harriet Vane beschreibt Dorothy L. Sayers eine Frau, die als Sayers’ Idealbild der Frau in Großbritannien zwischen den beiden Weltkriegen betrachtet werden kann. Sie arbeitet an ihrer Selbständigkeit, ist kreativ und befreit sich von Traditionen. Harriet Vane ist eine moderne Frau.

2. Die klassische Detektivgeschichte

4. Die Rolle der Frau bei Dorothy L. Sayers


[1]       The Omnibus of Crime, S. 104, Kursivschrift von Sayers

[2]       Ibid, S. 105

[3]       Hannay, S. 40

[4]       Strong Poison, S. 3

[5]       Dorothy L. Sayers: Unnatural Death, London: Hodder and Stoughton, 1991, Erstveröffentlichung: London, 1970

[6]       Dorothy L. Sayers: Clouds of Witness, London: Hodder and Stoughton, 1988, Erstveröffentlichung: London, 1926

[7]       Strong Poison, S. 43

[8]       Ibid, S.44

[9]       Mann, S. 113

[10]      Vgl. Strong Poison, S. 260 Wimsey verschwindet aus dem Gerichtssaal, nachdem Harriet freigesprochen wird, aber bevor sie ihm danken kann.

[11]      Dorothy L. Sayers: “Gaudy Night”, (Essay) S. 211, in: The Art of the Mystery Story, S. 209-221, Herausgeber: Howard Haycraft, New York: Simon and Schuster, 1946, Erstveröffentlichung in: Titles of Fame, Herausgeber: Denys K. Roberts, London 1937

[12]      Strong Poison, S. 56

[13]      Ibid,  S.90, Kursivschrift von Sayers

[14]      Vgl. Barbara Reynolds: Dorothy L. Sayers: Her Life and Soul, S. 133, [London]: Sceptre, 1993

[15]      Vgl. Bruce Merry: “Dorothy L. Sayers: Mystery and Demystification”, S. 25in: Essays on Detective Fiction, S. 18-32, Herausgeber: Benstock, Bernhard, London: Macmillan, 1983

[16]      Vgl. Mann, S. 111

[17]      Strong Poison, S. 4

[18]      Ulrich Suerbaum: Krimi, Eine Analyse einer Gattung, S. 122Stuttgart: Reclam, 1984

[19]      Strong Poison, S. 168 f.

[20]      Ibid, S. 245 f.

[21]      Dorothy L. Sayers: Have His Carcase, London: Hodder Stoughton, 1993, Erstveröffentlichung 1932. Have His Carcase ist eine Anspielung auf Charles Dickens: The Pickwick Papers, London: Penguin Popular Classics, 1994, Kap. 40, S. 620.
“‘Well Sam,’ said Mr. Pickwick, ‘I suppose they are getting the habeas corpus ready.’ ‘Yes,’ said Sam, ‘and I vish they´d bring out the have-his-carcass. It´s very unpleasant keeping us vaitin´ here. I´d ha´ got half a dozen have-his-carcasses ready, packed up and all by this time.’”

[22]      Vgl. Colin Watson:, Snobbery with Violence, English Crime Stories and their Audience,

         S. 155, Überarbeitete Version: London: Methuen, 1979

[23]      Vgl. Hannay, S. 41

Literaturverzeichnis:

Primärliteratur:

Romane:

Dorothy L. Sayers                 

  • Whose Body?,
    London: Hodder and Stoughton, 1993,
    Erstveröffentlichung: London 1923
  • Clouds of Witness,
    London: Hodder and Stoughton, 1988,
    Erstveröffentlichung: London, 1926
  •  Unnatural Death,
    London: Hodder and Stoughton, 1991,
    Erstveröffentlichung: London, 1927
  • The Unpleasantness at the Bellona Club, Erstveröffentlichung: London: Benn, 1928
  • Strong Poison,
    New York: Harper, 1995
    Erstveröffentlichung: London, 1930
  • Five Red-Herrings,
    Erstveröffentlichung: London: Gollancz, 1931
  • Have His Carcase,
    London: Hodder and Stoughton, 1993,
    Erstveröffentlichung: London, 1932
  • The Nine Tailors,
    Erstveröffentlichung: London: Gollancz, 1934
  • Gaudy Night,
    London: Hodder and Stoughton, 1990,
    Erstveröffentlichung: London, 1935
  • Busman´s Honeymoon,
    London: Hodder and Stoughton, 1974,
    Erstveröffentlichung: London, 1937

Kurzgeschichten:

Dorothy L. Sayers                  “The Haunted Policeman”,
in: Striding Folly
S. 57-89
Sevenoaks, Kent: New English Library, 1982
Erstveröffentlichung: Strand Magazine, Vol. 94,
(März 1938), S. 482-494

                                               “Talboys”,
in: Striding Folly,
S. 91-123
London: New English Library 1972

Drama:

Dorothy L. Sayers                  The Zeal of Thy House,
Erstveröffentlichung: London, Gollancz, 1937

weitere verwendete Werke:

  • Charles Dickens                     The Pickwick Papers
    London: Penguin Popular Classics, 1994
  • Edgar Allen Poe                     Tales of Mystery and Imagination
    Neuauflage: London: Everyman´s Library, 1968

Sekundärliteratur:

  • W.H. Auden                           “The Guilty Vicarage”
    in: The Dyer´s Hand,
    S. 147-158,
    London: Faber and Faber, 1963
  • T.J. Binyon                            Murder Will Out,
    Oxford: Oxford University Press, 1989
  • Pierre Boileau & Thomas Narcejac                   Le Roman Policier,
    in einer Übersetzung  von Wolfgang Promies:
    Der Detektivroman,
    Berlin: Luchterhand, 1967
  • John Brabazon                       Dorothy L. Sayers, The Life of a Courageous Woman,
    London: Gollancz, 1981
  • Miriam Brody                        “The Haunting of Gaudy Night:
    Misreadings in a Work of Detective Fiction”
    in: “Style”, Vol. 19, Nr.1, S. 94-116,
    DeKalb, Illinois, 1985
  • Mitzi Brunsdale                     Dorothy L. Sayers, Solving the Mystery of Wickedness,
    New York: Berg, 1990
  • Paul G. Buchloh & Jens P. Becker                        Der Detektivroman,
    Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1978
  • John G. Cawelti                     Adventure, Mystery and Romance,
    Chicago: University of Chicago Press, 1976
  • Raymond Chandler                “The Simple Art of Murder”, in: The Art of the Mystery Story,
    A collection of Essays, S. 222-236
    Herausgeber: Howard Haycraft,
    New York: Simon and Schuster, 1946
  • Hanna Charney                      The Detective Novel of Manners,
    Hedonism, Morality and the Life of Reason
    Rutherford: Fairleigh Dickinson University Press. 1981
  • David Coomes                       Dorothy L.Sayers, A Careless Rage for Life,
    Oxford: Lion Publishing, 1992
  • Patricia Craig & Mary Cadogan                       The Lady Investigates,
    London: Gollancz, 1981
  • S.S. Van Dine                        “Twenty Rules for Writing Detective Stories”
    in: The Art of the Mystery Story, S. 189-193,
    Herausgeber: Howard Haycraft,
    New York: Simon and Schuster, 1946
  • Gerd Egloff                            Detektivroman und englisches Bürgertum,
    Konstruktionsschema und Gesellschaftsbild bei Agatha Christie
    Düsseldorf: Bertelsmann, 1974
  • Beatrix Finke                         Erzählsituation und Figurenperspektiven im Detektivroman,
    Amsterdam: Grüner, 1983
  • Nicolas Freeling                    Criminal Convictions, Errant Essays on Perpetrators of Literary Crime License
    London: Owen, 1994
  • Dawson Gaillard                    Dorothy L. Sayers,
    New York: Ungar Pulishing, 1981
  • Margaret P. Hannay               “Harriet´s Influence on the Characterization of Lord Peter Wimsey”
    in As Her Wimsey Took Her,
    Critical Essays of Dorothy L. Sayers, S. 36-50
    Kent, Ohio: The Kent State University Press, 1979
  • Carolyn G. Hart                     “Gaudy Night, Quintessential Sayers”,
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Nachschlagewerke:

Ian Ousby (Hrsg.)                  The Cambridge Guide to Literature;
London: Guild Publishing, Wiederauflage 1989

Inhaltsverzeichnis

9. Schlußbetrachtung: Neue Möglichkeiten für den Detektivroman

Dorothy L. Sayers hat zwölf Detektivromane und eine Fülle von Kurzgeschichten geschrieben. In den meisten war Lord Peter Wimsey der Held. Am Anfang jedoch waren es die Nebencharaktere, die Sayers’ Romane zu einer Beschreibung ihrer Zeit werden ließen. Erst mit Harriet Vane kam die Realität auch in Lord Peters Leben. Durch sie konnte Sayers Wimsey zum Abbild eines realistischen Menschen machen. Seine Rolle des silly-ass-about-town wird als Maske entlarvt. Diese Maske dient ihm nicht nur als Tarnung seines Intellekts und seiner kriminalistischen Tätigkeit, sie ist auch Schutz gegen emotionale Angriffe. Der starke Mann, der Verbrecher mit eisernem Griff festhält, der den zumeist genialen Verbrechern überlegen ist, vor dem sich niemand verstecken kann, hat Angst, Harriet gegenüber seine Verletzlichkeit zu zeigen.

Durch Harriet zerlegt Sayers Wimsey in seine Komponenten und setzt ihn wieder neu zusammen. Dorothy L. Sayers läßt Harriet erkennen, daß hinter der Fassade des Superhelden ein menschliches Wesen steckt. Erst in Oxford, dem Sinnbild für intellektuelle Integrität, erfährt Harriet Vane, daß Peters größte Tugend in seiner Charakterfestigkeit liegt und in der Fähigkeit, seiner Partnerin die gleiche Qualität zuzubilligen. Sie lernt, daß es in einer Beziehung mit Wimsey möglich ist, ihrer eigenen Persönlichkeit treu zu bleiben. Genau das erwartet Wimsey sogar. Mehr noch, er verlangt von ihr, daß sie sich von ihren Vorurteilen und ihren vermeintlichen Zwängen und Limitierungen befreit, um ihre Individualität voll zu erfahren und auszuleben.

Für Wimsey ändert sich durch Harriet seine Einstellung zur Welt. Er erfährt eine neue Darstellungsform: Er wird, dadurch, daß Harriet Vane durch Dritte mehr über ihn erfährt, als sozial interessierter Mensch geschildert. Seine Rolle als Gelehrter kommt auch erst durch sein Auftreten in Oxford zum Ausdruck. Durch Harriet erfährt der Leser von der Eitelkeit Wimseys, die sich im Stolz auf seine schlanken Hände und sein durch Reggie Pomfret verletztes Ehrgefühl ausdrückt. Diese Punkte sind jedoch nur neu für den Leser, denn Dorothy L. Sayers hat die Ereignisse in die Vergangenheit projiziert, als wären sie schon immer Bestandteil von Wimseys Charakter gewesen.

Eine wirkliche Veränderung erfährt Wimseys Einstellung zu seinem kriminalistischen Hobby. Am Anfang noch ein wirkliches Hobby und ein Spiel, das vom Alltag ablenken soll, wird das Aufspüren von Verbrechern zu Wimseys Lebensaufgabe. Aus dieser definiert sich nicht nur seine soziale Relevanz, sondern auch die Befriedigung seiner Schaffenskraft. Hier kann er, ja muß er sogar, seine Kreativität benutzen, um eine persönliche Erfüllung zu finden.

Dorothy L. Sayers ist, als sie Strong Poison in Angriff genommen hat, sehr unzufrieden mit ihrer bisherigen Schöpfung. Wimsey ist ihr mittlerweile überdrüssig geworden.[1] Ein immer gleiches Repertoire an Gesten, Launen und Lösungen läßt nicht mehr viel Spielraum für Neues. Die Leser haben Wimsey gegenüber eine Erwartungshaltung entwickelt, die befriedigt werden will. Sayers jedoch ist keine Frau, die den Erwartungen anderer nachkommt. Sie will ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen. Da nun das bloße kommerzielle Auskommen gesichert ist, hat sie die Möglichkeit, wirkliches Neuland zu betreten.

Während sie Strong Poison schreibt, wird ihr klar, daß sich im Detektivroman Möglichkeiten auftun, die ihren eigenen Interessen nahe kommen. Immer schon hatte sie versucht, ihre eigene Lebensphilosophie auch in den Detektivromanen zu verarbeiten. Erst mit Gaudy Night sollte ihr die Verbindung zwischen persönlicher Aussage und dem Gerüst des Detektivromans vollständig glücken. Sie versucht, im Detektivroman ihre Botschaft, daß das Heil der Menschheit in der Rückbesinnung auf den Wert der eigenen Arbeit liegt, zum Ausdruck zu bringen. Während ihrer frühen Romane klingt das Thema durch ihre Nebencharaktere an. Als sie sich aber entschließt, diese Aussage zum Schwerpunkt in der Beziehung zwischen Harriet und Peter zu machen, bekommt diese erst ihre wahre Tiefe.

Gaudy Night teilt das Lager der Kritiker in unterschiedliche Fraktionen. Die Liebhaber des alten Rätselromans verurteilen es als snobistische Attitüde und bedauern den Untergang eines Genre. Die Freunde des realistischen Gesellschaftsromans halten Wimsey in seiner Liebe für lächerlich. Vielen, wie zum Beispiel Raymond Chandler, geht Sayers’ Realismus nicht weit genug. Die Mehrheit jedoch begrüßt Sayers’ Bemühungen, dem Detektivroman ein weiteres Themenspektrum zu öffnen. Die Detektivromane der heutigen Zeit, zum Beispiel die Werke P.D. James’, sind Gesellschaftsromane, die den Rahmen einer Detektivgeschichte dazu benutzen, eine Botschaft zu übermitteln.[2] Mit der Entwicklung des Lord Peter Wimsey in Sayers’ Romanen hat der Detektivroman eine neue Lesart bekommen. Detektivromane lassen neben der Deutung der Oberflächenhandlung weitere Lesearten zu.[3] Nicht nur, daß dem Leser Einblicke in andere Gesellschaftsformen ermöglicht werden – es können auch philosophische Inhalte vermittelt werden.

So wie Lord Peter Wimsey sich durch seine Partnerin Harriet Vane verändert, indem er sich der Menschlichkeit öffnet, so verändert sich mit ihm der Detektivroman. Vom Rätselspiel, das nur unterhalten wollte, entwickelt sich der Detektivroman zum realistischen Gesellschaftsroman. Im Detektivroman siegt nicht immer das Gute über das Böse. Es ist durchaus möglich, die verschiedenen Schattierungen darzustellen. Auch ein Detektiv kann Achtung vor dem Mörder empfinden, seine Motive nachvollziehen, wenn er auch die Tat nicht billigen wird. Opfer können frühere Täter sein.

Der Detektivroman besitzt die Möglichkeit, eine Fülle von Themen aufzugreifen. Es kommt auf diese Art zu einer Schwerpunktverlagerung. Die Detektivgeschichte stellt nicht mehr den unbedingten Mittelpunkt dar, sondern vielmehr das Gerüst. Der Autor benutzt den Rahmen und die Eigenschaften des Detektivromans, um ein anderes Thema zu intensivieren. Der Mord, immer noch das am häufigsten benutzte Verbrechen in der Detektivliteratur, hat verheerende Auswirkungen auf die beschriebene Gesellschaft, weil Mord nicht nur ein Verbrechen am Menschen, sondern ein Verbrechen an der Menschheit ist. Der Autor kann sich diese Bedeutungsschwere zunutze machen. Indem er das Thema Mord mit seiner Botschaft verknüpft, kann er auch die Bedeutung seiner Botschaft hervorheben. Dem Leser wird deutlich gemacht, wie wichtig die Botschaft des Autors ist, wenn aus diesem Grund sogar ein Mord begangen wird.

Dorothy L. Sayers ist es gelungen, diese Eigenschaft des Detektivromans zu erkennen und zu nutzen. Lord Peter Wimsey und Harriet Vane sind von ihr zu Trägern einer Botschaft verwandelt worden.

8. Die Detective Novel of Manners

Literaturverzeichnis


[1]       Vgl. “Gaudy Night” (Essay), S. 210

[2]       Zur Entwicklung des Detektivromans nach 1945: Ira Tschimmel: Kriminalroman und Gesellschaftsdarstellung, Eine vergleichende Untersuchung zu Werken von Christie, Simenon, Dürrenmatt und Capote, Bonn: Bouvier, 1979

[3]       Vgl. Miriam Brody: “The Haunting of Gaudy Night: Misreadings in a Work of Detective Fiction”in:Style”, Vol. 19, Nr.1, S. 94-116, DeKalb, Illinois, 1985. Hier werden in einer destruktivistischen Leseart der Täter als Autor und der Detektiv als Leser von Zeichen gedeutet.

8. Die Detective Novel of Manners

Das Problem, ob der Detektivroman zur gehobenen Literatur gezählt werden kann, wird von Pierre Boileau und Thomas Narcejac ausführlich betrachtet.[1] Sie gehen davon aus, daß Literatur sich dadurch auszeichne, daß den Charakteren ein gewisses Eigenleben zugestanden werde, und daß der Autor beim Schreiben durch keinerlei Grenzen, sei es in bezug auf die Handlung oder auf seine Schreibweise, behindert werde.

Dadurch entwickele der Roman eine eigene Dynamik. Für den Detektivroman gilt nun, daß er von einer Grundthese bestimmt wird. Der Autor eines Detektivromans will einen neuen modus operandi vorstellen, ein kompliziertes Alibi brechen oder ein bestimmtes Motiv darlegen. Diese Grundthese behindert den Autor in der freien Entfaltung seiner Kreativität. Er muß seine Charaktere und deren Dialoge, den Schauplatz der Handlung und die Zeit, in der der Roman spielt, dieser Grundvoraussetzung anpassen.

Boileau und Narcejac meinen aber, daß auch der Detektivroman die Möglichkeit besitze, sich von diesem Schema zu lösen. Wenn er sich von dem engen Muster zu trennen vermöge, seine Charaktere in den Vordergrund stelle und das Verbrechen als Schicksalsschlag behandele, der Menschen treffe, die auch sonst ihre eigenen Probleme hätten, deren Darstellung sich lohne, sei es auch dem Detektivroman möglich, Literatur zu sein. Boileau und Narcejac sprechen davon, daß es im Detektivroman zwei Ebenen gäbe: zum einen die imaginäre Realität, zum anderen die reale Imagination.[2] Der Detektivroman ließe den Leser durch die offensichtliche, kriminalistische Fiktion in eine subtil dargestellte Realität blicken.

Mit dieser These beschreiben Boileau und Narcejac genau die Absichten, die Dorothy L. Sayers mit ihren Romanen verfolgte.

Der Detektivroman hat sich seit seinen Anfängen immer wieder stark verändert. Vor allem hat er sich während der Goldenen Ära zum eigenständigen Genre gewandelt. Er hat sich in dieser Zeit zunehmend von dem realistischen Gesellschaftsroman, der novel of manners, fortbewegt. Der Gesellschaftsroman stellt Auszüge einer Gesellschaft dar, indem er soziale Gruppierungen mit deren Problemen und Krisen beschreibt. Die Detektivgeschichte am Anfang der Goldenen Ära hat keinerlei derartige Ambitionen. Sind in der Zeit davor mit Wilkie Collins[3] oder Sheridan Le Fanu[4] noch parallele Entwicklungen zu beobachten, wendet sich die Detektivliteratur der zwanziger und dreißiger Jahre von diesem Weg ab. Die Detektivromane aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen haben den Charakter von Kurzgeschichten, indem sie sich nur auf eine Problemstellung konzentrieren und auf das Denouément hinarbeiten.

Dabei bleibt die Charakterdarstellung oft außen vor. Einem Großteil der Detektivromane, die in der Goldenen Ära geschrieben wurden, ist gemeinsam, daß ihnen wirkliche Charaktere fehlen. Durch diesen Mangel schränken sie sich selbst ein und beginnen, auf ein immer gleiches Repertoire an Handlungen und Lösungen zurückzugreifen.

“Wenn die Realität im Detektivroman einzig zur Konstruktion der ‘mystery’-Pointe arrangiert wurde, so verlor am Ende sogar die Pointe selbst an Reiz, da ihr die spärlichsten Realitätspartikel nicht mehr als Widerstand und Anreiz entgegenwirkten, sondern als Teile eines rigiden Automatismus von vornherein untergeordnet waren.”[5]

Ziel mußte es also sein, der Detektivliteratur dadurch neues Leben einzuhauchen, daß man realistische Charaktere mit einem realen Umfeld so in die Geschichte einbaut, daß sie durch ihre Empfindungen und Erfahrungen zur Lösung des Kriminalfalles beitrugen.

Martin Priestman[6] sieht bereits bei Agatha Christie Ansätze, die zu einer Entwicklung des Detektivromans führen. Christie hat für viele ihrer Romane das englische Landhaus als Schauplatz gewählt. Dadurch erhielten ihre Werke das Flair einer country-house-novel. Priestman stellt in Christies Detektivromanen acht verschiedene Typen fest, die immer wieder für den Charakter des stark Verdächtigen oder des Opfers benutzt werden: den Landbesitzer, die Englische Schönheit, den “schwachen”, jungen Mann, die Sirene mit Vergangenheit, die respektable Ehefrau, den schweigsamen Kolonialisten, den Professionellen mit Familienanschluß (Anwalt, Arzt oder Geistlicher) und die weibliche Abhängige. Durch die immer wieder auftretenden Charaktere gewinnt diese Art der Detektivromane pastorale Züge.[7]

8.1  Dorothy L. Sayers’ Ambitionen

In der Reihe ihrer Lord-Peter-Wimsey-Abenteuer hat Dorothy L. Sayers dem Genre des Detektivromans ein neues Gesicht verliehen. Sie hat den Detektivroman von einer Spielerei mit der literarischen Bedeutung eines Kreuzworträtsels wieder zurück zum realen Gesellschaftsroman gebracht und dem Genre damit zu neuem Glanz verholfen.

Sayers hatte diese Ambitionen bereits, als sie mit Whose Body? ihre Karriere als Autorin von Kriminalliteratur begann. Doch, wie sie selbst eingesteht, war ihr erstes Werk eher konventionell und entsprach genau dem Klischee.

“When in a light-hearted manner I set out, fifteen years ago, to write the first ‘Lord Peter’ book, it was with the avowed intention of producing something ‘less like a conventional detective story and more like a novel’. Re-reading Whose Body? at this distance of time I observe, with regret, that it is conventional to the last degree, and no more like a novel than I to Hercules.”[8]

Sayers’ erklärtes Ziel war es, den Detektivroman auf das Niveau von Wilkie Collins und Sheridan Le Fanu zurückzuführen. Diese beiden zeichnen sich in ihren Werken nicht nur als Meister der Spannung, sondern auch durch hervorragende Milieubeschreibungen aus. Dorothy L. Sayers versuchte, ihre Lord-Peter-Wimsey-Romane diesem Vorbild anzupassen.  Paul G. Buchloh und Jens P. Becker stellen in Sayers’ Romanen eine Rückbesinnung auf alte Traditionen fest.

“Das Schwergewicht dieser Romane liegt auf der psychologisch feinfühligen Charakterzeichnung der Hauptgestalten, (…) auf der Liebesgeschichte in der Nebenhandlung und auf der Betonung des Humors. Verbrechen und Detektion treten zurück. Diese Entwicklung bedeutet sowohl eine Umkehr zum viktorianischen Gesellschaftsroman wie eine Rückwendung auf den romanzenhaften amerikanischen Detektivroman zwischen 1875 und 1914.”[9]

Dorothy L. Sayers’ Hang zum Gesellschaftsroman war zuerst in der liebevollen Beschreibung der in Nebenrollen agierenden kleineren Charaktere zu erkennen. Figuren wie der Architekt Thipps, der Angst hat einzugestehen, daß er in einem Nachtclub war, aber soviel Courage besitzt, einen Freund zu decken; die Künstlerkolonie in Five Red-Herrings;[10] der Pastor in The Nine Tailors;[11] der bekehrte Safeknacker, der jetzt Laienprediger ist, in Strong Poison; oder die Künstler im gleichen Buch – sie alle sind mit einer Detailfreudigkeit beschrieben, die es dem Leser ermöglicht, Einblicke in die Gesellschaft des Großbrittaniens der zwanziger und dreißiger Jahre zu nehmen.

So schreibt Carolyn G. Hart über die Nebencharaktere in Gaudy Night:

“But it isn´t only in the relations between Harriet and Lord Peter that this is the norm. All of the conversations among this novel´s participants intrigue, elucidate and mystify, entertain and rebuke, inform and obscure. These conversations give the readers a detailed, realistic, enormously fascinating portrayal of a particular kind of people at a particular moment in history. Sayers insisted that the novel of manners could be wedded to the mystery novel, and Gaudy Night proves her thesis.”[12]

Der Detektivroman als realistischer Gesellschaftsroman beschreibt Menschen in problematischen Situationen, Menschen mit Gewissenskonflikten. Erreicht wird die Beschreibung der Gesellschaft durch das Eintreten von Chaos in Form eines Verbrechens in eine bestehende, funktionierende Gruppe wie das Shrewsbury College.[13] Der Detektiv hat die Funktion, die Ausgangsposition wiederherzustellen.

Bei Sayers haben die Protagonisten nicht nur die Aufgabe, ein Verbrechen mittels ihrer deduktiven Fähigkeiten aufzuklären. Sie müssen auch ihre Persönlichkeit einbringen, um eine übergeordnete Problematik zu verdeutlichen. Harriet Vanes und Lord Peter Wimseys gemeinsame Vorgeschichte spiegelt sich im Plot des Romans wider. Harriets emotionale Unentschlossenheit und Peters gradueller Abbau einer Barriere, die ihn vor Eingriffe in seine Privatsphäre schützen sollte, bestimmen in weiten Teilen die Entwicklung in Gaudy Night. Harriet ist in der Einschätzung des Falles durch ihre Gefühle eingeschränkt.

Peter wird bereits in Whose Body? von Charles Parker auf die gesellschaftliche Bedeutung seines Hobbys hingewiesen. Schulz-Buschhaus sieht darin die Demonstration der Relevanz des Detektivromans.

“Der Detektiv, bislang für den Kriminalroman vorwiegend ein ‘sportsman’, wird als ‘responsible person’ zum Bewußtsein seiner sozialen Verantwortlichkeit ermahnt, was bedeutet, daß auch der Detektivroman insgesamt auf die soziale Problematik seines Gegenstandes hingewiesen wird, welche er bislang im wahrsten Sinne des Wortes überspielt hatte.”[14]

Harriet Vanes soziale Aufgabe ist es zu zeigen, wie sich eine emanzipierte Frau verhalten kann. Sayers verleiht durch sie ihrer Einstellung zum Feminismus, zu den Werten von Arbeit, Wahrheit und Integrität Ausdruck.

Harriet Vane befindet sich in Strong Poison in einer ganz außergewöhnlichen sozialen Lage. Sie ist Autorin von Detektivromanen, was an sich schon außerhalb der Norm ist. Sie lebt unverheiratet mit einem Mann und verstößt diesen, als er ihr einen Heiratsantrag macht. Sie wird des Mordes angeklagt und freigesprochen. Selbst heute hätte Harriet unter übler Nachrede zu leiden. Sie aber wird vom Sohn eines Dukes geliebt – dessen Heiratsantrag sie ebenfalls ablehnt. Das erfordert ein großes Maß an Charakterstärke und Integrität.[15]

Harriet Vane ist im Umgang mit ihren Mitmenschen einfühlsam, versucht, deren Probleme zu verstehen. Ihre eigenen Probleme, deren Auslöser die unglückliche Beziehung mit Philip Boyes war, manifestieren sich in einem Gefühl der Schuldhaftigkeit. Sie glaubt, daß sie Wimsey ihr Leben schuldet. Diese schon beinahe als Zwangsvorstellung zu beschreibende Idee kommt von dem Wunsch nach unbedingter Selbständigkeit. Nachdem ihre Eltern verstorben waren, mußte Harriet für sich selbst sorgen. Sie hat sich eine Unabhängigkeit geschaffen, auf die sie außerordentlich stolz ist. Wimsey könnte ihr, zumindest in ihrer Vorstellung, diese Unabhängigkeit nehmen. Nur durch einen langwierigen Prozeß, bei dem sie sich den Wert ihrer Person durch den Wert ihrer Arbeit bewußt macht, schafft sie es, ihr Selbstwertgefühl wiederzufinden.

Was für das Ziel des einzelnen Detektivromans gilt, nämlich die Wieder­her­stellung der Ordnung in die ein Mord Chaos brachte, wird für Harriet durch die Serie von Romanen erreicht. Die Krise, die der Mord in Strong Poison ausgelöst hatte, wird erst durch die Wiederherstellung von Harriets seelischem Aus­gangs­zu­stand in Gaudy Night vollständig gelöst.

Wimsey hatte bereits im Krieg psychischen Schaden genommen. Verstärkt wurde sein Problem durch die unglückliche Beziehung, die ihn das Hobby der Krimina­listik ergreifen ließ.[16] Sayers läßt den Leser in Gaudy Night erfahren, daß seine Art, den adligen Dummkopf zu spielen, eine Form der Barriere ist, ein Schutzwall, um keine neuen Angriffe auf seine Gefühlswelt zuzulassen. Nur Harriet gegenüber kann er sich öffnen. Auch für Peter, der bereits in Strong Poison um Harriets Hand anhält, ist die Entwicklung ihrer Beziehung notwendig. Noch in Gaudy Night, während der gemeinsamen Bootsfahrt, wehrt er Harriets Eindringen in seine Privatsphäre ab. Erst in Busman´s Honeymoon kann er sämtliche Schilde fallen und sich von ihr trösten lassen.

Dorothy L. Sayers versucht in Gaudy Night, im Gerüst des Detektivromans soziale Themen zu installieren. Sie untersucht neben der Frage nach dem Täter das Motiv für die Verhaltensweise ihrer verschiedenen Charaktere und fragt, welcher soziale Druck diese Individuen beeinflußt.[17]

8.3  Ein geglückter Versuch?

Viele Kritiker halten Dorothy L. Sayers’ Versuch, den Detektivroman zurück auf das Niveau des realistischen Gesellschaftsromans zu bringen, für mißglückt. Immer wieder wird kritisiert, daß Wimsey als Liebhaber lächerlich wirkt, daß die Verknüpfung von Liebesaffäre, sozialen Themen und Detektivgeschichte konstruiert wirkt und daß Sayers sich zu einer snobistischen Literatin entwickelt habe.

W.H. Auden zeigt sich in “The Guilty Vicarage” als Anhänger der klassischen Detektivgeschichte.[18] Seine dogmatischen Forderungen nach einer rigiden Struktur lassen wenig Zweifel an seiner Einstellung aufkommen. Für Auden muß eine gute Detektivgeschichte strengen Anforderungen entsprechen, die wenig Chancen lassen, das Genre zu gleichberechtigter Literatur werden zu lassen. Er fordert nicht Realitätstreue, sondern nach einem bestimmten Muster erzeugte Spannung.

Im krassen Gegensatz dazu steht Raymond Chandler, der in “The Simple Art of Murder” Realität um jeden Preis fordert und die Unwahrscheinlichkeiten in den Romanen seiner Kollegen anprangert.[19] Beiden gemeinsam ist jedoch die Abneigung gegen Sayers’ Romane. Auden hält Wimsey für einen “priggish superman”,[20] der nur Detektiv ist, weil es einer seiner Launen entspricht. Chandler geht Sayers’ Realitätsempfinden nicht weit genug. Er bewundert Sayers’ Darstellung von Randpersonen, beklagt aber, daß sie es nicht geschafft habe, ihre Protagonisten vom Marionettendasein zu befreien.

“If it started out to be about real people (and she could write about them – her minor characters show that), they must very soon do unreal things in order to form the artificial pattern required by the plot. When they did unreal things, they ceased to be real themselves. They became puppets and cardboard lovers and papier mâché villains and detectives of exquisite and impossible gentility. The only kind of writer who could be happy with these properties was the one who did not know what reality was.”[21]

Ulrich Suerbaum betrachtet Gaudy Night als Oxford-Roman, was er offensichtlich auch ist. Auch er fragt sich, ob Sayers mit diesem Roman den Ansprüchen, die an Literatur gestellt werden, Genüge getan habe. Er stellt fest, daß die augenfälligste Abweichung Gaudy Nights zur Norm der Detektivgeschichten in seinem Umfang liege. Mit fast 500 Seiten übersteigt Gaudy Night das Standardvolumen der Detektivgeschichten und gehört auch zu den umfangreichsten Werken Dorothy L. Sayers’. Doch Quantität allein kann natürlich kein Kriterium für hohe Literatur sein. So stellt Suerbaum auch fest, daß in Gaudy Night neben dem Handlungsgerüst, das er im wesentlichen dem der Detektivgeschichte für entsprechend hält, auch andere Standardelemente der Detektivgeschichte zu finden sind:

“ein Figurenensemble, das aus Detektiven und Verdächtigen besteht, Fragen, die am Ende von Sequenzen beantwortet werden, Ermittlungen auf materieller und psychologischer Ebene, alternative Erklärungskontexte zum Verstecken von Spuren, Zwischenbilanzen, große Lösungsszene – und so weiter.”[22]

Suerbaum bemerkt auch die Themen, die vom normalen Gerüst der Detektivgeschichte abweichen, wie das Leben in Oxford, die Universität als geistiges Refugium, die Wissenschaft als Ideal menschlicher Existenz. Jedoch kann er nicht feststellen, daß diese Themen in einer eigenen Struktur Bestand hätten. Suerbaum bemängelt das Fehlen von unabhängigen Handlungen sowie personaler Träger der Themen, die diese Themen zu Romanbestandteilen machen. Die Themen werden seiner Meinung nach nur “irgendwo als Dialog oder Reflexion untergebracht”.[23]Miss de Vine, Miss Hillyard, Catherine Bendick sowie natürlich auch Wimsey und Harriet sind allerdings meines Erachtens deutlich die Träger des Themas “intellektuelle Integrität” in seinen unterschiedlichen Interpretationsvarianten. Sayers beschreibt das Verhältnis dieser Person zu dem Thema sehr intensiv. Sie gibt jeder von ihnen eine unterschiedliche Auffassung vom Wert ihrer Arbeit und stellt sie einander gegenüber.

Da diese Themen in Gaudy Night nur durch das Gerüst der Detektivgeschichte gestützt werden, gesteht Suerbaum dem Roman “zwar eine Öffnung mit dem Ziel der Aufnahme neuer Aussageelemente” zu, hält ihn jedoch noch nicht für den Übergang in den Gesellschaftsroman.[24] Allerdings gibt er zu, daß Gaudy Night über das Niveau des Rätselspiels hinausgeht. Er sagt, daß das Gerüst des Detektivromans durchaus in der Lage sei, auch andere Themen neben dem eigentlichen Rätsel zu tragen, hält aber Dorothy L. Sayers’ Lösung für mißlungen.

Auch John G. Cawelti erkennt Sayers’ Anstrengungen, dem Gerüst des Detektivromans neue Möglichkeiten abzugewinnen. Er vergleicht die Romane Sayers’ mit denen Agatha Christies und stellt fest, daß die Stärke Christies in der Darstellung von mysteriösen Rätseln liege und die Qualität Sayers’ bei der Verbindung des Rahmens des Detektivromans mit religiösen Themen und der Beschreibung von sozialen Schauplätzen.[25]

Howard Haycraft sieht Dorothy L. Sayers als Pionierin. Er beschreibt sie als gebildete Autorin mit der Ambition, der Detektivliteratur neue Möglichkeiten zu öffnen. Er hält sie für eine Schriftstellerin, die experimentierfreudig ist und neue Formen anstrebt. Ihren Versuch allerdings hält auch er für wenig geglückt. Das führt er darauf zurück, daß Sayers zu den ersten gehört habe, die Anstrengungen in diese Richtung unternommen haben.[26]

Julian Symons fragt sich, ob denn ein Roman wie Gaudy Night oder Busman´s Honeymoon überhaupt noch als Detektivroman bezeichnet werden kann. Über Sayers’ letzte Detektivromane sagt er:

“Her infatuation with Lord Peter, and her attempt to turn the detective story into a ‘novel of manners’ ended in a weakening of the detective element almost to the point where it ceased to exist.”[27]

Dorothy L. Sayers hat, wie ich meine, mit ihren Lord-Peter-Wimsey-Romanen der Detektivliteratur eine Menge neuer Impulse gegeben. Angefangen hat sie mit einem supermannähnlichen Detektiv, den sie, durch seine Beziehung zu Harriet Vane, mit so vielen Schwächen, Eigenarten und auch bewundernswerten Eigenschaften versehen hat, daß sich aus ihm über eine Anzahl von Jahren und Romanen eine menschliche Figur entwickeln konnte. In ihren Romanen beschreibt sie nicht nur Mordfälle, sondern, zum Beispiel in The Nine Tailors und Gaudy Night durchaus erfolgreich, auch soziale Gruppen und deren oft problematisches Zusammenleben.

Auch Kathleen Gregory Klein schätzt Sayers’ Arbeiten kritisch ein, beurteilt Sayers’ Gesamtwerk aber so:

“However when the whole series, novels and short stories, is considered Sayers´ accomplishment can clearly be seen. She has created a detective whose competence matches any of his rivals´. His cases are intricate and clever, his methods are imaginative and perceptive, his solutions are inevitable and accurate. In addition, he is more than his fellow sleuths; he develops beyond their two-dimensional, puzzle solving characteristics to be also a complex, responsible and compassionate man. He is not so much a character but a person.”[28]

So sehr sich die kritischen Stimmen auch unterscheiden, eines läßt sich feststellen: Mit der verantwortungsvollen Veränderung ihres Helden hat Sayers eine Bewegung in Gang gesetzt, die eine Evolution des Detektivromans zur Folge hatte.

7. Die Charaktere am Ende ihrer Entwicklung

9. Schlußbetrachtung: Neue Möglichkeiten für den Detektivroman


[1]       Pierre Boileau & Thomas Narcejac: Le Roman Policier, in einer Übersetzung von Wolfgang Promies: Der Detektivroman, S. 179-188, Berlin: Luchterhand 1967

[2]       Boileau-Narcejac, S. 188

[3]       Wilkie Collins (1824-1889), Freund von Charles Dickens, unter anderem: The Woman in White (1860) und The Moonstone (1868) (Quelle: The Cambridge Guide to Literature; S. 206; Herausgeber : Ian Ousby, London: Guild Publishing, Wiederauflage 1989). Sayers hat jahrelang an einem Werk über Collins gearbeitet, das aber nie veröffentlicht wurde. (Quelle: Brabazon, S. 139)

[4]       Joseph Sheridan Le Fanu, (1814-1873), unter anderem: Uncle Silas (1864), In a Glass Darkly (1872) (Quelle: The Cambridge Guide to Literature, S. 567). In Gaudy Night läßt Sayers Harriet Vane Forschungen über Le Fanu anstellen (Gaudy Night, S.122).

[5]       Schulz-Buschhaus, S. 106

[6]       Vgl. Martin Priestman: Detective Fiction and Literature, The Figure on the Carpet, London: Macmillan 1990

[7]       Ibid, S. 154

[8]       Gaudy Night (Essay), S. 208

[9]       Paul. G. Buchloh, Jens P. Becker: Der Detektivroman, S. 73f., Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1978

[10]      Dorothy L. Sayers: Five Red-Herrings, Erstveröffentlichung: London: Gollancz, 1931

[11]      Dorothy L. Sayers, The Nine Tailors, Erstveröffentlichung: London: Gollancz, 1934

[12]      Hart, S. 46

[13]      Vgl. Gerd Egloff: Detektivroman und englisches Bürgertum, Konstruktionsschema und Gesellschaftsbild bei Agatha Christie,  S.65, Düsseldorf: Bertelsmann 1974

[14]      Schulz-Buschhaus, S. 113

[15]      Vgl. Mann, S. 113

[16]      Vgl. die Biographie des Lord Peter Wimsey von seinem fiktiven Onkel Paul Austin Delagardie

[17]      Vgl. Gaillard, S. 72

[18]      W.H. Auden:“The Guilty Vicarage” in: The Dyer´s Hand, S. 147-158,

         London: Faber and Faber 1963

[19]      Raymond Chandler: “The Simple Art of Murder”, in: The Art of Mystery Fiction,

         S. 222-236 Herausgeber: Howard Haycraft, New York: Simon and Schuster, 1946

[20]      Auden, S. 154

[21]      Chandler, S. 232

[22]      Suerbaum. S. 120

[23]      Ibid, S.121

[24]      Ibid

[25]      Vgl. John G. Cawelti: Adventure, Mystery and Romance, S.111-125, Chicago: University of Chicago Press, 1976

[26]      Vgl. Howard Haycraft: Murder for Pleasure, The Life and Times of the Detective Fiction, S. 137 New York: Biblo and Tannen, 1968

[27]      Julian Symons: The Detective Story in Britain, S.28, London: Longmans, 1962

[28]      Klein, S. 27 f.

7. Die Charaktere am Ende ihrer Entwicklung

Lord Peter Wimsey, der einstige Superheld, hat sein Ziel erreicht: Harriet wird ihn heiraten. Aber viel mußte er dafür opfern und hart mußte Dorothy L. Sayers arbeiten, um ihre vormals zweidimensionale Heldenfigur zu eigener Menschlichkeit gelangen zu lassen. Gleichwohl wurde ihre Mühe von den Kritikern nicht immer wohlwollend aufgenommen. Die Verfechter der reinen Detektivgeschichte, die, wie einst auch Sayers, der Meinung sind, eine Liebesgeschichte habe in einem Detektivroman nichts zu suchen, halten Gaudy Night für Sayers schlechtesten Roman. Diejenigen, die eine Entwicklung des Detektivromans hin (oder zurück) zur Novel of Manners begrüßen, halten das Buch für ihr Meisterstück. So schreibt Suerbaum, der die von Sayers in Gang gesetzte Entwicklung kritisch betrachtet:

“Was zu der Zentralfigur eines normalen Detektivromans paßt – die übermenschlichen Geistesgaben, die markierenden Eigenheiten und Manierismen, die outrierte soziale Position – das wirkt völlig überzogen und lächerlich, wenn man es konkretisiert und psychologisch erklärt. Die >Marionette< der früheren Romane mit ihrem von der Autorin beklagten begrenzten Repertoire an Tricks und Attitüden ist glaubwürdiger als die ernstgemeinte Idealkombination aus Künstler, Wissenschaftler, Sportsmann und Diplomat.”[1]

Von vielen wird Sayers’ Versuch der Neugestaltung des Genres mit Hilfe der Metamorphose Wimseys als mißglückt betrachtet. Häufig wird die frühere Gestalt Wimseys vermißt und der neue verurteilt. Patricia Craig und Mary Cadogan empfinden Lord Peter Wimseys Emotionen als lächerlich.

“Wimsey in love is a sorry figur, hedged in by emotional constraints, his advantages of no account, his absurdities underlined and his author´s want of detachment badly in view. Dorothy L. Sayers created a fantasy figure and then proceeded to lumber him with real emotions which no reader can take serious.”[2]

Tatsächlich hat Sayers mit Gaudy Night ein gewagtes Experiment gestartet. Mit ihrem Versuch, den Detektivroman zu neuen Höhen zu bringen, ihm völlig neue Wege zu öffnen, hat sie sich nicht nur Freunde gemacht. Ist man als Leser in erster Linie daran interessiert, eine Detektivgeschichte als Gedankenspiel oder Rätsel zu lesen, ist man von den langschweifigen Beschreibungen der Beziehung Harriet-Peter sicherlich enttäuscht und gelangweilt.

Für den Leser jedoch, der daran interessiert ist, in einem Roman etwas über Menschen zu erfahren, und dabei die Spannung des Detektivromans nicht missen möchte, ist diese neue Form entgegenkommend. Wimsey mit seinen Schwächen und seiner neuerworbenen Vergangenheit mag nicht in allen Punkten überzeugend sein, aber in seiner Entwicklung und mit seiner Anfangsposition ist er durchaus glaubwürdig.

Nicolas Freeling hält Gaudy Night für Sayers’ bestes Buch, aber für ihre schlechteste Detektivgeschichte.[3] Während er ihren Versuch, zwei Genres miteinander zu verknüpfen, für “sometimes uneasy” hält,[4] betrachtet Julian Symons diesen als vollständig gescheitert.

“There is a breathtaking gap between intention and achievement.”[5]

Was von ihren Kritikern allerdings nicht beücksichtigt wird, ist, daß Sayers zu den ersten Autoren gehört, die diesen Schritt wagen. So wie die ersten Detektivgeschichten von E. A. Poe oder Sir Arthur Conan Doyle heute nicht mehr die Spannung aufkommen lassen, wie zu der Zeit, in der sie geschrieben wurden, so wirkt auch Sayers’ Pionierarbeit heute “uneasy”. Das liegt aber nicht daran, daß diese Pioniere schlechte Arbeit geleistet hätten, sondern daran, daß spätere Autoren auf ihren Leistungen aufbauen konnten.

7.1  Die Involvierung der Charaktere

Dorothy L. Sayers’ Romane hatten von Anfang an einen anderen Schwerpunkt als die meisten Detektivromane. Während für die Mehrheit der Detektivromane der Goldenen Ära der Begriff Whodunnit eine treffende Beschreibung war, beschäftigte sich Sayers immer mehr mit dem Wie und dem Warum. In dem überwiegenden Teil ihrer Romane wird recht schnell deutlich, wer der Täter ist. Selbst wenn man noch nicht von dem Täterklischee des genialen Wissenschaftlers gehört hätte, würde man in Whose Body? bereits innerhalb der ersten Kapitel merken, wer der Mörder ist – zumal der Name Sir Julian Freke, als Anspielung auf freak, an sich schon entlarvend ist. Auch in Strong Poison kommt trotz geschickt arrangierter Ablenkungsmanöver eigentlich nur Norman Urquhart als Täter in Frage. Was Sayers interessiert, ist die Frage, wie ein Verbrechen begangen wurde und vor allem warum.

Durch diesen Anspruch schafft sie eine weitere Möglichkeit, auf die Persönlichkeit ihrer Charaktere einzugehen. Dabei ist in Sayers’ Romanen eine Entwicklung zu beobachten, die am deutlichsten am Beispiel der Verbrecher zu erkennen ist.[6] Während diese in ihren Frühwerken noch die Charakteristika des Superverbrechers tragen, sind die Übeltäter in ihren letzten Werken “kleine Normalbürger”, die Verbrechen begehen, um sich zu rächen oder einen kleinen Schritt in Richtung Wohlstand zu machen. Die Motive werden bescheidener und sind dem Alltäglichen entnommen. Die Verbrecher der ersten Romane begehen entweder Selbstmord, oder aber der Leser wird über ihr weiteres Schicksal im Unklaren gelassen, eine Hinrichtung nur implizit angedeutet. In Gaudy Night und Busman´s Honeymoon muß sich der Detektiv und somit auch der Leser direkt mit den Tätern befassen. Dadurch wird Wimsey in starkem Maße involviert.

Im klassischen Detektivroman ist der Held als Persönlichkeit neutral. Sein Charakter, seine Empfindungen fließen nicht in die Lösung des Falles ein. Er hat eine Katalysatorfunktion. Seine Aufgabe ist es, rational Motive, Gelegenheit und Mittel des Mörders aufzudecken, um diesen letztendlich zu entlarven. Diese Situation ändert sich jedoch durch die Einführung eines Beziehungsthemas zwischen dem Detektiv und einer der Beteiligten. A. E. Murch erklärt diese veränderte Situation für den Detektiv so:

“Often enough the investigator becomes convinced that the person compromised by the evidence, usually a woman, is in reality innocent, and an element of romance, or at least of chivalry, is thus introduced.

The detective is then no longer simply an impartial enquirer whose intellectual faculties are brought to bear on the problem with ‘ice-cold logic’. The drama tends to involve him personally, appealing to his emotions and his affections may be deeply engaged, as Trent´s were by Mabel Manderson, Gethryn´s by Lucia, and Lord Peter´s by Harriet Vane.”[7]

Wenn es auch den Anschein hat, als ob E. C. Bentley und E. F. Benson Romanzen in ihren Romanen in ähnlicher Weise benutzt haben wie Sayers, so kommt doch ihr der Verdienst zu, eine bewußte Verflechtung der Romanze mit dem Detektivroman erreicht zu haben.

Mit der Einführung der Figur der Harriet war es Sayers nicht mehr möglich, die Distanz des Helden nach dem klassischen Muster, dem ihre frühen Romane noch folgten, aufrecht zu erhalten. Sie ist der Auffassung, daß wenn eine Romanze in eine Detektivgeschichte einfließt, diese Bestandteil der Lösung des Falls sein muß. Wenn dies nicht der Fall ist, verliert die ganze Geschichte an Konsistenz. Entweder die Detektivgeschichte wird zur Nebensache, oder die Romanze wird zur Farce, in der die Charaktere keinerlei Realität besitzen.[8]

Um dies zu vermeiden, muß also die Problematik der Beziehung eine ähnliche Basis haben wie der Kriminalfall. In Gaudy Night ist diese Problematik die intellektuelle Integrität. Hätte Miss de Vine vor Jahren aus Mitleid mit der Familie des Wissenschaftlers, der, um seine These zu schützen, vorsätzlich betrogen hat, ihre intellektuelle Integrität verraten, wären die Vorkommnisse im Shrewsbury College nie aufgetreten. Wären Harriet und Peter nicht bereit, die Integrität des anderen zu akzeptieren, hätte eine Beziehung zwischen den beiden keine Aussicht auf Kontinuität.

In besonderem Maße bestimmend für das Ausmaß der Involvierung des Detektivs ist auch die Frage, inwiefern er Anteil nimmt an dem Schicksal des von ihm gestellten Mörders. Im klassischen Detektivroman, so stellt Ulrich Schulz-Buschhaus fest, findet sich für moralische Betrachtungen kein Platz.

“Da das Verbrechen im pointierten Rätselroman allein als das frappanteste Beispiel eines Rätsels behandelt wurde, mußten neben seinen psychischen und sozialen auch seine moralischen Aspekte grundsätzlich ignoriert werden. Das Verbrechen galt als eindeutiges Übel und seine Bestrafung als ebenso eindeutiges Gut; denn Verbrechen und Bestrafung stellten für das Schema ja immer nur eine spannende Rätselfrage dar.”[9]

Selbst die Opfer wurden nicht als bemitleidenswert beschrieben.

In den seltensten Fällen wird in Detektivromanen darüber berichtet, wie ein gefaßter Mörder verurteilt und hingerichtet wird oder wie der Detektiv damit umgeht, daß er einen Menschen durch sein Handeln dem Henker oder lebenslanger Haft übergibt. Auch der Lord Peter Wimsey der ersten Romane macht da nur in kleinem Maße eine Ausnahme. In Whose Body? wird das Ende des Sir Julian Freke noch mit Napoleon Brandy begossen. Allerdings zeichnet sich bereits in schwachen Ansätzen ab, daß Peter sich Gedanken über sein Handeln macht. Auch Peters Gewissen entwickelt sich im Laufe der Jahre und Romane. Im Gegensatz zu den Detektiven anderer Autoren hat Wimsey moralische Bedenken gegenüber den Tätern, die er durch sein Handeln der Strafe zuführt. In Whose Body? äußert er seine Bedenken Charles Parker gegenüber, der ihn auf seine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft hinweist. Aber auch diese moralische Rückendeckung kann den Anfall von shell-shock nicht verhindern. Wimsey versucht, einen Kompromiß zwischen gesellschaftlicher Verpflichtung und Gewissen zu finden. In Unnatural Death sind durch sein Eingreifen weitere Unschuldige ums Leben gekommen. In diesem Buch sucht er Trost bei Mr. Tredgold, einem Priester, der ihm hilft, indem er Peter verdeutlicht, daß er den richtigen Weg geht, wenn er dem Gesetz hilft.[10] Die Konsequenzen könne der einzelne Mensch nicht abschätzen. Aber auf die Intention käme es an. Solange Peter aus einem Rechtsempfinden handele, könne er das moralisch vertreten. Aus einer Laune heraus oder als Hobby wären seine Taten schon eher bedenklich.

In Strong Poison wird dann auch deutlich, daß Wimseys kriminalistisches Interesse zu mehr als nur einem Hobby geworden ist. Letztendlich geht es in diesem Fall um einen Menschen, der ihm viel bedeutet. Nach Strong Poison wird Peters ehemaliges Hobby immer mehr dadurch gerechtfertigt, daß es sich dabei um einen Dienst an der Gesellschaft handelt. Harriet trägt ihren Teil dazu bei, wenn sie Peter in Gaudy Night verteidigt.

“‘But what I should like to know,’ pursued Miss Barton, refusing to be diverted, ‘is wether this dilettante gentleman does anything, outside his hobbies of detecting crimes and collecting books, and, I believe, playing cricket in his off-time.’

Harriet, who had been congratulating herself upon the way in which she was keeping her temper, was seized with irritation.

‘I don´t know,’ she said. ‘Does it matter? Why should he do anything else? Catching murderers isn´t a soft job, or a sheltered job. It takes a lot of time and energy, and you may very easily get injured or killed. I dare say he does do it for fun, but at any rate, he does do it. Scores of people must have as much reason to thank him as I have. You can´t call that nothing.’”[11]

Obwohl seine kriminalistische Beschäftigung so ihre rationale Verteidigung erfährt, plagt Peter immer noch unbewußt das Gewissen. Nach jedem Fall kommt es zu Schockzuständen, die durch die Verantwortung für das Leben – oder den Tod – eines Menschen ausgelöst werden. In Busman´s Honeymoon ist es Wimsey mittlerweile schon fast zuwider, sich an der Aufklärung des Verbrechens beteiligen zu müssen. Harriet fragt ihn, ob die Polizei denn wirklich von ihm erwarten könne, selbst in seinen Flitterwochen noch Verbrechen aufzuklären. Er antwortet, daß er gar nicht anders kann:

“‘I can´t wash my hands of a thing, merely because it´s inconvenient to my lordship,(…). I hate violence! I loathe wars and slaughter, and men quarrelling and fighting like beasts! Don´t say it isn´t my business. It´s everybody´s business.’”[12]

Die Aufklärung von Verbrechen ist nicht mehr nur ein Hobby. Es ist zu Peters Lebensaufgabe geworden, der er sich nicht mehr ohne Verlust der Selbstachtung entziehen kann.

7.2  Das Gewissen des Detektivs

Dorothy L. Sayers beschäftigt sich in ihren späten Detektivromanen in zunehmendem Maße mit der Frage, was mit den Tätern geschieht. In Gaudy Night wird viel darüber gesprochen, wie die Mitglieder des Senior Common Rooms der Familie des unehrenhaften Pförtners Jukes helfen,[13] nachdem sie ihn entlassen mußten. Wimsey wird in diesem Roman der Täterin bei der Lösung des Falles direkt gegenübergestellt und sie spuckt ihm für seine Handlungsweise ins Gesicht. In Busman´s Honeymoon wird beschrieben, wie Peter und Harriet ihre Zeugenaussagen machen müssen, wie der Täter zum Tode verurteilt wird und nicht bereit ist zu bereuen. Es wird gezeigt, wie sehr Wimsey unter dem Bewußtsein leidet, einem Menschen das Leben zu nehmen. Harriet als Peters Ehefrau ist es, der in dieser Situation die Rolle zu kommt, Peter Halt zu geben. Sie kann ihm nicht die Last des Gewissens nehmen, aber sie kann ihm helfen, die Verantwortung zu tragen.

Durch die immer stärker werdende Involvierung ihrer Charaktere stellt Sayers den Kriminalfall nicht nur als Rätsel dar, sondern benutzt ihn auch, um ein zwischenmenschliches Problem exemplarisch zu verdeutlichen. Sayers benutzt die Probleme ihrer Protagonisten, indem sie Parallelen zwischen diesen und dem Kriminalfall aufbaut. In einem Prozeß der Bewußtseinsfindung erkennen die Helden ihr Problem. Die Lösung des emotionalen Problems führt zur Lösung des Falles und vice versa.

Durch die zunehmende Betonung der zwischenmenschlichen Beziehungen, dadurch daß die Beschreibung von sozialen Gruppen immer mehr Platz einnimmt und nicht zuletzt durch die Betonung der Charakterzeichnungen in Dorothy L. Sayers’ Romanen gewinnt der Detektivroman meines Erachtens an Reiz. Sayers’ Romane sind nicht nur interessante Darstellungen von Kriminalfällen und Denksportaufgaben. Sie geben auch dem Leser, der mehr von Literatur erwartet als Amüsement, die Möglichkeit, etwas über Menschen in einer ihm fremden Gesellschaft zu erfahren.

Busman´s Honeymoon, zuerst auf Anregung einer alten Schulfreundin, Muriel St. Clare Byrne, als Bühnenstück konzipiert, später dann zum Roman erweitert, ist untertitelt mit A Love Story with Detective Interruptions. In diesem Werk stehen Peter und Harriet nur noch als Ehepaar im Vordergrund. Es wird gezeigt, wie die in Gaudy Night gefundene Basis ihrer Beziehung im täglichen Leben umgesetzt werden kann. Am Anfang steht die Hochzeit des Paares in Oxford. Berichtet wird über die Vorbereitungen und die eigentliche Hochzeit aus der Sicht Dritter, wie der Dowager Duchess, der Schwägerin Wimseys oder Bunters, in Form eines Briefromans. Nach dem so gestalteten Prothalamion kehrt Sayers wieder in die gewohnte Erzählform zurück.

Für Harriet Vane ist die lange Zeit der Unentschlossenheit zu Ende. Sie hat eine Form der Partnerschaft gefunden, in der sie als Gleichberechtige behandelt und auch gefordert wird. Peter nimmt Anteil an ihrer Arbeit, fordert sie auf, ihr bestes zu geben, auch wenn sie dadurch leiden muß. Ihr Minderwertigkeitskomplex ist überwunden. Harriet kann sogar mit Peters Reichtum umgehen, wenn er sie in seinen Vermögensregelungen berücksichtigt. Auch seine großzügigen Geschenke, nicht zuletzt das neue Haus Talboys, akzeptiert sie. Sicherlich kommen hierdurch alte Ängste, ihre schwer erworbene Unabhängigkeit aufgeben zu müssen, wieder auf. Aber sie kann Peter mit Geschenken, die ihre Sorgfalt bei der Auswahl deutlich machen, beeindrucken.

Harriet und Peter reisen zu ihrer Hochzeitsreise in den Ort, in dem Harriet als Tochter eines Landarztes aufgewachsen ist. Auf Harriets Wunsch hin haben sie dort ein Haus erworben, das sie schon in ihrer Jugend bewundert hat. Als sie ankommen, müssen sie feststellen, daß trotz vorheriger Absprache keinerlei Vorbereitungen getroffen sind und der Voreigentümer nicht aufzufinden ist. Das Ehepaar nimmt die neuen häuslichen Widrigkeiten gelassen und genießt die Hochzeitsnacht. Nur Bunter, der sie natürlich begleitet, ist besorgt um die Bequemlichkeit seiner Herrschaften. Am nächsten Morgen begegnen ihnen im Haus allerlei kuriose Gestalten, wie der ortsansässige Pfarrer, Mr. Goodacre, und der Maurer und Schornsteinfeger Mr. Puffet, die für das nötige Lokalkolorit sorgen. Außerdem finden sie die Leiche des Hausbesitzers, Mr. Noakes, in ihrem Keller. Damit beginnen die “detective interruptions”.

Peter ist nicht sehr begeistert, auch in seinen Flitterwochen kriminalistisch tätig zu werden. Aber aus seiner mittlerweile etablierten sozialen Verantwortung heraus übernimmt er die Aufgabe. Hieraus ergibt sich eine erste Probe für ihre Ehe. Im Zuge der Ermittlungen wird Harriet bewußt, welche Verantwortung Peter trägt, wenn er einen Menschen indirekt zum Tode verurteilt. Sie ist entsetzt über die Vorstellung, diese Verantwortung mit ihm teilen zu müssen. Peter bietet ihr daraufhin an, mit seiner Tätigkeit aufzuhören.

“His voice was the voice of a beaten man. She was appalled, seeing what she had done.

‘Peter, you´re mad. Never dare to suggest such a thing. Whatever marriage is, it isn´t that.’

‘Isn´t what, Harriet?’

‘Letting your affection corrupt your judgement. What kind of life could we have if I knew that you had become less than yourself by marrying me?’

He turned away again, and when he spoke, it was in a queerly shaken tone:

‘My dear girl, most women consider it a triumph.’

‘I know, I´ve heard them.’ Her own scorn lashed herself – the self she had only just seen. ‘They boast of it – ”My husband would do anything for me….” It´s degrading. No human being ought to have such power over another.’

‘It´s a very real power, Harriet.’

‘Then,’ she flung back passionately, ‘we won´t use it. If we disagree, we´ll fight it out like gentlemen. We won´t stand for matrimonial blackmail.’”[14]

An dieser Stelle greift Sayers nochmals ein Thema aus Gaudy Night auf, nämlich das der emotionalen Abhängigkeit. Diesmal ist es Harriet, die in Versuchung geführt wird, Macht über ihren Partner zu gewinnen, und dieser widerstehen muß. Sie ist entsetzt, daß sie auch nur für den Bruchteil einer Sekunde der Versuchung nachgeben konnte. War sie es doch, die gefürchtet hatte, Teile ihrer Persönlichkeit in einer Beziehung aufgeben zu müssen. Nun hat sie Wimsey – der ihr gezeigt hat, daß er sie nur als gleichberechtige Partnerin akzeptieren will und ihr Selbstwertgefühl wiederhergestellt hat – dazu gebracht, bereitwillig einen Teil von sich aufzugeben. Harriet sieht jedoch sofort, daß ihre Ehe auf dieser Basis nicht funktionieren kann. Sie schätzt ihre eigene Individualität und möchte nicht, daß die ihres Mannes reduziert wird.

Am interessantesten für die Humanisierung der Figur des Lord Peter Wimsey ist das Epithalamion. Hier wird, für eine Detektivgeschichte ungewöhnlich, bis ins Detail beschrieben, wie Peter sich mit dem Resultat seiner Tätigkeit als Hobbydetektiv auseinandersetzen muß. Der Mörder soll gehängt werden. Peter will des Mörders Vergebung erbitten und wird schroff von diesem abgewiesen. So steht Wimsey anscheinend allein seinem Gewissen gegenüber. Er wird, wie so häufig, von einem nervenzusammenbruchähnlichen Anfall gepackt. Die Dowager Duchess hat deren Natur Harriet gegenüber zuvor erklärt.

“‘He doesn´t like responsibilty, you know,’ said the Duchess, ‘and the War and one thing and another was bad for people that way… .There were eighteen months…not that I suppose he´ll ever tell you about that, at least, if he does, then you´ll know he is cured… . I don´t mean he went out of his mind or anything, and he was always perfectly sweet about it, only he was so dreadfully afraid to go to sleep… and he wouldn´t give an order, not even to the servants, which made it really very miserable to him, poor lamb!…I suppose if you´ve been giving orders for nearly four years to people to go and get blown to pieces it gives you a – what does one call it nowadays? – an inhibiton or an exhibition, or something, of nerves.’”[15]

Doch wo sonst Bunter, sein Diener und Freund die heilende Kraft besaß, kommt diesmal Harriet, mittlerweile Lady Peter Wimsey, zu Hilfe. Bunter und Harriet verbünden sich, um Peter in seiner Not zu helfen. Wimsey kann seinen Stolz überwinden und an ihrer Schulter Trost finden. Harriet gesteht ihm, daß auch sie sich am liebsten in einer Ecke verstecken möchte. Er antwortet:

“‘You´re my corner and I´ve come to hide.’”[16]

An dieser Stelle wird die Beziehung zwischen Harriet und Peter ihrem letzten Test unterzogen.

“Harriets Ehe mit Peter (…) erfährt ihre Bestätigung erst dadurch, daß sie sich in dieser Situation bewährt und daß Harriet bis zu der schwersten Verantwortung, die ihr Mann zu tragen hat, vordringt. Zum ersten Mal wird in Lord Peters abenteuerliche Hochzeitsfahrt diese Beziehung zwischen Detektiv und Mörder ausdrücklich benannt und beschrieben als eine Frage der Verantwortung, und erst dadurch, daß Peter mit dieser Last der Verantwortung zu seiner Frau kommt und diese in der Lage ist, sie gemeinsam mit ihm zu tragen, wird die Liebesgeschichte und Detektivgeschichte zu einem Abschluß gebracht.”[17]

Mit dieser Szene ist die Humanisierung des Superhelden abgeschlossen.

Nach Busman´s Honeymoon tritt Lord Peter Wimsey nur noch in Kurzgeschichten auf. In The Haunted Policeman (1938)[18] wird Harriet und Peters erster Sohn geboren und in Talboys (1972)[19], einer Geschichte über den Diebstahl von Pfirsichen, haben sie bereits drei Kinder, und das Hauptthema ist die Frage der Erziehung.

6. Der Wert der Arbeit und intellektuelle Integrität

8. Die Detective Novel of Manners


[1]       Suerbaum, S.123

[2]       Craig & Cadogan,S. 190

[3]       Freeling, S. 122f

[4]       Ibid, S. 123

[5]       Julian Symons: Bloody Murder, From the Detective Story to the Crime Novel: A History, S. 128, London: Faber and Faber, 1972

[6]       Vgl. Schulz-Buschhaus, S. 114

[7]       A.E. Murch, S. 216

[8]       Vgl. The Omnibus of Crime, S. 104

[9]       Schulz-Buschhaus, S. 113

[10]      Vgl. Unnatural Death, S. 218-222

[11]      Gaudy Night,S. 36

[12]      Busman´s Honeymoon, S. 128

[13]      Vgl. Gaudy Night, S. 43f.

[14]      Busman´s Honeymoon, S. 303

[15]      Ibid, S. 378 f.

[16]      Ibid, S. 394

[17]      Wölcken, S. 284

[18]      Dorothy L. Sayers: “The Haunted Policeman”, in: Striding Folly, S. 57-89, London: New English Library, 1972. Erstveröffentlichung: Strand Magazine, Vol. 94, (März 1938), S. 482-494

[19]      Dorothy L. Sayers: “Talboys”, in: Striding Folly, S.91-123, London: New English Library, 1972

6. Der Wert der Arbeit und intellektuelle Integrität

Für Dorothy L. Sayers haben die Begriffe value of work und intellectual integrity eine tiefe Bedeutung. Sie sind der Maßstab, an dem sie ihre Werke und ihr Leben mißt. Für sie hat die Liebe zu der eigenen Arbeit eine christliche Tragweite.[1] Das geht sowohl aus ihren Romanen als auch aus ihren Essays hervor.

In Gaudy Night kann Sayers zum ersten Mal ihr wahres Anliegen in Worte fassen. In ihren vorangegangenen Romanen hatte sie bereits andeutungsweise auf dieses Thema abgezielt, es aber nie erreicht, die Substanz, die Integrität für sie hatte, so zu verdeutlichen wie in Gaudy Night. Sie bekennt in ihrem Essay “Gaudy Night”:

“By choosing a plot that should exhibit intellectual integrity as the one great permanent value in an emotionally unstable world I should be saying the thing that, in a confused way, I had been wanting to say all my life.”[2]

Beim Schreiben von Gaudy Night muß Dorothy L. Sayers bewußt geworden sein, wieviel ihr dieses Thema bedeutet. Denn in ihren nachfolgenden nicht-kriminalistischen Werken ist das Thema der Kreativität, des Wertes der Arbeit und der intellektuellen Integrität dominierend.

In “Are Women Human?” betont sie, daß für die Wertstellung der Frau die von ihr geleistete Arbeit entscheidend ist. Eine Frau sollte an der Arbeit gemessen werden, die sie leistet, und es sollte ihr die Möglichkeit eingeräumt werden, der Arbeit nachzukommen, zu der sie befähigt ist.

In dem Postskript “The Worth of Work”, welches The Mind of The Maker angehängt ist, betont Sayers den Wert der Arbeit für das mentale Gleichgewicht des Individuums.[3] Arbeit ist für Sayers ein zentraler Lebenszweck. Ohne die richtige Aufgabe im Leben kann das Individuum nicht glücklich werden. Sayers verlangt von Parteien, Gewerkschaften und nicht zuletzt der Kirche, den Menschen ihre Arbeit wieder näherzubringen, ihnen die Schönheit gut getaner Arbeit wieder begreiflich zu machen.

Diese Arbeit muß nicht ein Beruf, eine Profession sein, auch wenn Sayers hier ihren Schwerpunkt setzt. Es kann auch sein, daß eine Person eine andere zur Aufgabe nimmt.[4] So sieht Sayers die Ehe. Allerdings darf es nicht so sein, daß automatisch der Frau diese Rolle zukommt. Wird das Streben eines Menschen unterdrückt, kann es für diesen nur im Chaos enden. So sind die Täter in Sayers’ Romanen häufig Menschen, die ihre Berufung entweder durch äußere Einflüsse oder durch eigene Verblendung verraten haben.

Kenney schreibt über die Verbrecher bei Sayers:

“The relationship between this novel´s villain and hero is prototypical for [Dorothy L. Sayers]: in the world of her creation good people do good work, while subverting one´s work or occupation is an unfailing index of moral corruption.”[5]

Dorothy L. Sayers’ Mörder zeichnen sich nicht nur durch ihre Geringschätzung von menschlichem Leben, sondern auch durch Respektlosigkeit gegen ihre Arbeit aus. So verrät in sechs der sieben Bücher von Sayers, in denen ein Mord begangen wird, die Vorgehensweise des Mörders dessen Beruf.[6]

Dawson Gaillard erklärt den Zusammenhang zwischen Sayers’ Helden und Schurken und dem Begriff der Kreativität so:

“By misusing their work, Sayers´s criminals sin against God. They disrupt the divine pattern of creative energy, at least temporarily. Although evil cannot be abolished it can be redeemed by creative power. To Sayers, creativity meant synthesis, making something new out of the materials that one has. One does not destroy in order to create, one assimilates the old with the new.”[7]

So werden Sayers’ Protagonisten zu Kreuzrittern, deren Aufgabe es ist, den heiligen Gral der Kreativität wieder in den menschlichen Alltag zurückzubringen. Kreativität ist die Eigenschaft, die der Mensch mit Gott teilt. Sayers vermißt eine ausdrückliche Stellungnahme der Kirche zum Wert der Arbeit, meint aber, daß es eine christliche Lehre der Arbeit gibt. Diese verbinde “die Lehre von der Schöpferkraft Gottes mit der Gottebenbildlichkeit des Menschen”.[8]

Sayers sagt weiter:

“Wenn der Mensch nur dadurch die Bestimmung seiner Natur erfüllt, daß seine gottebenbildliche Kreativität zu vollem Ausdruck gelangt, dann brauchen wir dringend eine christliche Lehre von der Arbeit, die nicht nur für ordentliche Arbeitsbedingungen Sorge trägt, sondern auch dafür, daß die Arbeit so ist, daß der Mensch sie mit ganzem Herzen und um ihrer selbst willen tun kann.”[9]

Die Arbeit stelle Erfüllung dar. Am ehesten könnten Künstler, Wissenschaftler, Handwerker oder auch Mütter diese Erfüllung erreichen. Denn sie haben die Möglichkeit, ihr Produkt selbst zu gestalten und bis zur Vollendung zu begleiten. Ein gesellschaftliches Problem sieht Sayers für die Fabrikarbeiter. Diese sähen nur einen Teil ihrer Arbeit, machten immer wieder die selben Handbewegungen und könnten sich dadurch nicht mit dem Endprodukt identifizieren. Sie arbeiteten nur für den Lebensunterhalt. Dadurch gehe ihnen, so Sayers, ein Stück Lebensqualität verloren.[10]

Dorothy L. Sayers sieht also die Zukunft der Menschheit in der Kreativität. Sie glaubt, daß nach dem theologischen Menschen der Vorrenaissance, dem humanistischen Menschen der Renaissance, dem rationalen Menschen des 18. Jahrhunderts, dem biologischen Menschen Darwins, dem soziologischen, dem psychologischen, dem ökonomischen Menschen des 20. Jahrhunderts der kreative Mensch folgen muß. Die Menschheit befinde sich in einer Phase, in der nur das Streben nach Gewinn zähle. Das Individuum definiere sich durch seinen ökonomischen Erfolg. Dadurch verliere es sich in der Betrachtung eines Details seiner Ganzheit und büße seine Würde ein.[11]

In Sayers’ späteren Werken, nachdem sie sich ganz von der Detektivliteratur abgewendet hatte, wird das Thema des Wertes der Arbeit für die Würde des Menschen zu einem ständigen Inhalt. In The Zeal of Thy House[12] (1937),einem Drama, das sie für ein Festival der Friends of Canterbury Cathedral geschrieben hat und das auch in der Kathedrale von Canterbury uraufgeführt wurde, behandelt Sayers die Geschichte von William of Sens, einem Architekten, der im 12. Jahrhundert am Wiederaufbau eines Teils der Kathedrale beteiligt war. Sayers stellt ihn als nicht sehr tugendhaften Menschen dar, der aber als Architekt überaus kompetent ist. So wählt der Abt ihn auch trotz seiner moralischen Makel. Sayers glaubt, daß schlecht getane Arbeit nicht dadurch besser wird, daß sie ein Christ getan hat.[13] Der Arbeiter definiert sich durch die Arbeit, die er geleistet hat, der Mensch durch seine Kreativität.

6.1  Der Detektivroman als Mittel der Darstellung eines sozialen Themas

Ulrich Schulz-Buschhaus entdeckt im Thema der intellektuellen Integrität das Leitmotiv von Gaudy Night.

“In Gaudy Night, dem wohl bedeutendsten und geglücktestem Roman der Sayers, durchwirkt diese Frage als eines der geheimen Grundthemen die ganze Erzählung. Das 17. Kapitel mit seiner ausgedehnten und beinahe Zauberberg-artigen Diskussion über die Kompatibilität von moralischer Verantwortlichkeit und wissenschaftlichen Prinzipien ist hier nicht bloß eine Abschweifung, die das alte Kriminalromanschema verdecken soll, sondern das Zentrum des Romans und der Detektion selbst.”[14]

In Detektivromanen gilt es immer, eine gestörte Ordnung wieder herzustellen. Der Mord greift brutal in eine funktionierende Gesellschaft ein und verletzt jegliches Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Dem Detektiv kommt es zu, den Status quo wiederherzustellen. Er vollbringt dies durch sein unerschütterliches Vertrauen in die Wahrheit der Fakten. Dieser Glaube an die Macht der Wahrheit, so stellt Fritz Wölcken fest, macht den Detektivroman zu einem idealen Medium für Dorothy L. Sayers’ Botschaft.

“Ihre Begabung und ihre Ausbildung hätten ihr auch den Weg zu anderen Formen des Schreibens geebnet. Wenn sie diese anscheinend amüsante Gattung der Detektivliteratur vorzog, so hat das seinen Grund darin, daß die Probleme der geistigen Integrität, die diese Autorin in erster Linie beschäftigen, in der von dieser Gattung entwickelten Technik dargestellt werden konnten.”[15]

In ihren Romanen zeichnen sich Sayers’ Helden dadurch aus, daß sie ein außerordentliches Pflichtgefühl besitzen. Lord Peter Wimsey, der die Kriminalistik als Hobby betreibt, liegen die Konsequenzen seines Tuns zwar auf dem Gewissen, wenn er zum Beispiel Sir Julian Freke dem Gesetz übergeben soll.[16] Aber sein Verantwortungsbewußtsein läßt ihm gar keine andere Wahl. Wimsey betrachtet seine Aufgabe unter durchaus ästhetischen Gesichtspunkten. Er freut sich über die Kompliziertheit, mit der ein Verbrechen begangen worden ist, ergötzt sich an der Ausgefeiltheit eines künstlichen Alibis, bewundert das Gehirn eines einfallsreichen Verbrechers. Seine Arbeit erfüllt ihn mit Befriedigung.

Miss Climpson teilt Wimseys Art der Gewissensbisse nicht, denn für sie ist die Überführung von Verbrechern, dadurch, daß sie Wimseys Angestellte ist, ihre Profession. Sie teilt jedoch seine Einstellung zur Perfektion. Sayers hätte ihr durchaus Attribute wie Mitleid oder Nachgiebigkeit mitgeben können, die zu der Rolle der unverheirateten, älteren Dame gepaßt hätten. Statt dessen ist sie eine resolute Frau, die ihren Aufgaben mit dem Blick fürs Detail und Rationalität, also Professionalität, nachkommt.

Die Professorinnen am Shrewsbury College würden nie auf die Idee kommen, einen Kompromiß in ihrer Arbeit einzugehen. Denn die Wahrheit kennt keine Kompromisse. Räumten sie Halbheiten ein Recht auf Existenz ein, würden sie ihre Daseinsberechtigung verleugnen.

Harriet Vane, die noch emotionalste unter den hier angeführten Persönlichkeiten, hat, so empfindet sie selbst, in ihrem Gefühlsleben manchen Fehler gemacht. Aber ihrer Arbeit ist sie treu geblieben. Sie gesteht zwar ein, auch in ihren Romanen manches Alibi fehlerhaft gestaltet zu haben, jedoch versucht sie nach bestem Wissen zu handeln. So gestaltet sie, wie Sayers auch, ihre Romane so wirklichkeitsnah als möglich. Wenn sie ihre Arbeit so perfekt wie möglich macht, fühlt sie sich Gott näher:

“‘When you get the thing dead right and know it´s dead right, there´s no excitement like it. It´s marvellous. It makes you feel like God on the Seventh Day – for a bit, anyhow.’”[17]

Für Harriet Vane bedeutet ihre Arbeit Rückhalt in einer Welt, von der sie nichts Gutes erwartet. Sie ist von ihrem Geliebten verraten und des Mordes an ihm bezichtigt worden. Sie ist von einem Mann gerettet worden, den sie unbewußt liebt, dem gegenüber sie sich aber immer zur Dankbarkeit verpflichtet fühlt. Daraus ergibt sich ein Minderwertigkeitskomplex, der dadurch verstärkt wird, daß sie durch ihre Mitmenschen immer wieder an die traurige Episode in ihrem Leben erinnert wird. Sie bekommt anonyme Briefe. Leute, denen sie vorgestellt wird, erinnern sich zuallererst daran, daß sie des Mordes angeklagt war. Die Verkaufszahlen ihrer Bücher sind erst während ihrer Verhandlung in die Höhe geschossen. Wenn Harriet Bestätigung sucht, findet sie diese am ehesten in ihrer Arbeit. Sie weiß zwar, daß das Schreiben von Detektivliteratur in den akademischen Kreisen, zu denen sie sich auch zählt, nicht besonders geschätzt wird, aber sie weiß auch, daß das die Arbeit ist, die sie gut kann.

So antwortet sie auf die Frage von Miss Barton, der Schatzmeisterin des Shrewsbury College, wie sie denn nach ihren persönlichen Erfahrungen noch Kriminalromane schreiben könne:

“‘I know what you are thinking – that anybody with proper sensitive feeling would rather scrub floors for a living. But I should scrub floors very badly, and I write detective stories rather well. I don´t see why proper feeling should prevent me from doing my proper job.’”[18]

Sicherlich sehnt sie sich auch danach, wieder wissenschaftlich wertvollere Arbeit zu leisten. Diese Sehnsucht leitet sich aber mehr aus dem Wunsch nach Geborgenheit ab, einer Geborgenheit, die sie in Oxford zu finden glaubt. Wenn Harriet versucht, die Charaktere ihrer Romane so realistisch wie möglich zu gestalten, geschieht das nicht nur aus dem Bedürfnis heraus, ihren Lesern glaubwürdige Detektivromane zu präsentieren, sondern auch aus dem persönlichen Verlangen, ihre Arbeit so gut wie möglich zu machen.

6.2  Der Aufbau der Integrität in der Beziehung zwischen Wimsey und Harriet Vane

Lord Peter Wimsey muß als Detektiv für den Leser ohnehin als integer gelten. Die Detektive wie auch die Erzähler in Detektivromanen sind, mit wenigen Ausnahmen,[19] die einzigen Personen, denen der Leser trauen kann. Eine Detektivgeschichte, in der das nicht der Fall ist, würde gegen die fair-play-Regeln verstoßen.[20]

Dieses Prinzip gilt natürlich nicht für die Charaktere innerhalb des Romans. Harriet kann nicht wissen, inwiefern sie Wimsey auf emotionaler Ebene trauen kann. Sie weiß, daß sie sich auf seine Hilfsbereitschaft verlassen kann, daß er da ist, wenn sie ihn braucht. Das ist aber noch nicht genug. Sie muß wissen, ob Peter sie auch als gleichwertig behandeln würde. Deshalb ist es nötig, auch für Lord Peter Wimsey eine Form von Integrität zu etablieren, die für Harriet wahrnehmbar ist.

Sayers beginnt, Peter als Teil der Gesellschaft von Oxford zu beschreiben. Diese steht, auch für Harriet, als Symbol für den Begriff “intellektuelle Integrität”. Denn Oxford steht für das Recht und die Verpflichtung zu sagen, daß zwei und zwei gleich vier ist, immer und zu jeder Zeit ohne Einschränkung. Auf dieser Grundlage fußt jede Wissenschaft. An dieser Stelle Kompromisse zu machen hieße, wissenschaftliches Arbeiten unmöglich zu machen. Bei dem Dinner im Shrewsbury College, bei dem auch Lord Peter anwesend ist, kommt die Frage auf, ob es verantwortungsbewußt sei, immer nach Fakten zu streben, ohne die Resultate dieser Handlung zu berücksichtigen. Eingeführt wird das Thema durch Peter, der ein Beispiel nennt: In einem Fall wäre ohne seine Suche nach dem Mörder nur eine Person ums Leben gekommen.[21] Erst durch sein Eingreifen wird der Mörder gestört und bringt, um sein Motiv und Spuren zu verbergen, weitere Menschen um. Alle Mitglieder des Senior Common Room sind der Ansicht, daß Wimsey nicht anders hätte handeln dürfen. Die Wahrheit hat Vorrang vor allem anderen. Auf diese Weise verknüpft Sayers die Welt der Wissenschaft mit der des Detektivromans.

Wölcken sagt über den Zusammenhang zwischen Detektivgeschichten und Wissenschaft:

“Diese sittliche Notwendigkeit der Forschung, die wissenschaftliche Neugierde verbunden mit der Fähigkeit, sich eine Übersicht zu erwerben, Erkenntnisse ihrem Werte entsprechend abzuwägen, keine falschen Schlüsse zu ziehen, vor allen Dingen keine unzulässigen Rückschlüsse vorzunehmen, die Aufmerksamkeit des Kombinierens, das alles berührt sich aber auch eng mit den Gründen, aus denen Detektivgeschichten gelesen werden.”[22]

Peter wird beschrieben als Magister der Geschichtswissenschaften. Er hat einen Prädikatsabschluß und spricht mehrere Sprachen. Er kann mit den Gelehrten der Universität Konversation führen, ohne daß ihm jemand nachsagen könnte, er wüßte nicht, wovon er redet. Weiß er etwas nicht, gibt er das zu, was ihn nur noch integrer wirken läßt. Er kann Miss Hillyard Zugang zu einer Bibliothek mit für sie interessanten Schriften verschaffen.

Auf diesem Weg schafft es Sayers, Wimsey als Akademiker achtbar wirken zu lassen. Für Harriet ist es aber wichtig, ihm nicht nur intellektuell, sondern auch emotional vertrauen zu können. Zu diesem Zweck läßt Sayers den Fall, an dem Harriet und Peter gemeinsam arbeiten, eine mögliche direkte Auswirkung auf ihre gemeinsame Beziehung haben, die Wimsey erkennt und fürchtet.

Das Motiv des Täters ist auf unkontrollierte, emotionale Abhängigkeit zurückzuführen. Der Auslöser war die Ahndung mangelnder Integrität durch Miss de Vine. Peter muß fürchten, daß, wenn Harriet die Zusammenhänge erkennt, sie ihre Angst vor emotionaler Bindung bestätigt sieht. Das ist die große Probe, die Wimsey gestellt wird. Wird er dem Verlangen nachgeben, den einfachen Weg zu gehen und das wirkliche Motiv vor Harriet zu verbergen? Abgesehen davon, daß das wahrscheinlich nicht möglich wäre, ist Wimsey nicht nur bereit, Harriet das Motiv zu offenbaren, sondern er fordert sie sogar dazu auf, selbst dahinterzukommen.

“‘Surely you know by this time? You must know, Harriet, if you´re giving your mind to the thing at all. Opportunity, means, motive – doesn´t it stand out a mile? For God´s sake, put your prejudices aside and think it out. What´s happened to you that you can´t put two and two together?’”[23]

Für die Beziehung zwischen Harriet und Peter bedeutet dies, daß er sie als gleichgestellten Partner schätzt. Sie wird zwar dadurch nicht auf das Niveau des Superdetektivs gehoben, jedoch zeigt Wimseys Interesse an ihrer Meinung, daß er sich ihr nicht überlegen fühlt. Er weiß, daß sie zur Lösung des Falls fähig ist, wenn sie nicht durch ihre momentanen Vorurteile von der Lösung abgelenkt wäre.

Auch die Aufklärung des Falles wird erst durch Wimseys Kenntnis und Wertschätzung des akademischen Geistes möglich. Er erwartet die Charakterfestigkeit der Dons und rechnet damit, daß ihre Liebe zur Wahrheit sie sich auch über soziale Erwägungen hinwegsetzen läßt.

Wenn er den Mitgliedern des Senior Common Rooms die Lösung des Falles unterbreitet, tut er das auf eine Art, die an einen wissenschaftlichen Vortrag erinnert:

“‘I will first set out the salient points as they presented themselves to me when I came to Oxford last Sunday week, so as to show you the basis upon which I founded my working theory. I will then formulate this theory, and adduce the supporting evidence which I hope and think you will find conclusive.’”[24]

Dies geschieht zum einen, um sich der Sprache der Dons anzupassen, aber noch viel mehr aus der Achtung vor deren Arbeitsweise.

Intellektuelle Integrität ist die Basis, auf der sich Harriet und Peter gegenüberstehen können. Die Art der Beziehung wird durch Bachs Musik ausgedrückt. Intellekt und Leidenschaft, Körper und Geist, Mann und Frau stellen, wie Tokkata und Fuge, in gegenseitiger Abhängigkeit eine Ganzheit dar.

“‘This kind of thing,’ said Peter, as tenor and alto twined themselves in a last companionable cadence, ‘is the body and bones of music. Anybody can have the harmony, if they leave us the counterpoint.’”[25]

Am Tag, nachdem der Fall des Poltergeistes im Shrewsbury College geklärt ist, dankt Harriet Peter nochmals für die Rettung ihres Lebens. Diesmal jedoch, ohne die Bitterkeit zu empfinden, die in der Vergangenheit ihre Dankbarkeit begleitet hatte.

Sie sagt:

“‘If I owe you nothing else, I owe you my self-respect. And I owe you my life-’

‘Ah!’ said he, smiling. ‘But I have given you that back by letting you risk it. That was the last kick that sent my vanity out of doors.’

‘Peter, I did manage to appreciate that. Mayn´t I be grateful for that?’

‘I don´t want gratitude -’

‘But won´t you take it, now that I want to give it to you?’

‘If you feel that way about it, then I have no right to refuse. Let that clear all scores, Harriet. You have given me already far more than you know. You are free now and for ever, as far as I am concerned. You saw yesterday what personal claims might lead to – though I didn´t intend you to see it in quite that brutal way. But if circumstances made me a little more honest than I meant to be, still, I did mean to be honest up to a point.’

‘Yes,’ said Hariet, thoughtfully. ‘I can´t see you burking a fact to support a thesis.’

‘What would be the good? What would I ever have gained by letting you imagine a lie? I set out in a lordly manner to offer you heaven and earth. I find that all I have to give you is Oxford – which was yours already.’”[26]

So ist es nur natürlich, daß die Worte, mit denen der letzte Heiratsantrag gestellt wird und die zu finden Dorothy L. Sayers so lange gebraucht hat, diejenigen sind, mit denen die neuen Master of Arts von den Dons der Colleges als ebenbürtig akzeptiert werden und die zur Abschlußzeremonie des Studiums in Oxford gehören.[27]

Kathleen Gregory Klein stellt hierzu fest:

“Only when she discovers that Peter´s view of marriage does not include possesiveness and the precedence of  personal responsibilities over professional ones, as revealed in the solution of the case, can she agree, finally, to his Latin proposal (…), when he addresses her by her university title.”[28]

Wimsey fragt Harriet: “Placetne, magistra?” “Placet.” ist ihre Antwort.[29]

5. Die Metamorphose des Lord Peter Wimsey.

7. Die Charaktere am Ende ihrer Entwicklung


[1]       Vgl.  Gaillard, S. 99

[2]       “Gaudy Night” (Essay), S. 213

[3]       Dorothy L. Sayers: “The Worth of Work”, in The Mind of the Maker,S. 177-184, London 1941

[4]       Vgl. Gaudy Night, S.171 f.

[5]       Kenney, S. 128

[6]       Vgl. Klein, S. 32

[7]       Vgl. Gaillard, S. 94

[8]       Dorothy L. Sayers: “Creed or Chaos” in: Creed or Chaos and Other Essays in Popular Theology, 1947 in einer Übersetztung “Glaube oder Chaos?” in: Dorothy L. Sayers: Das größte Drama aller Zeiten, Drei Essays und ein Briefwechsel zwischen Karl Barth und der Verfasserin, S. 48-74, Herausgeber: Hinrich Stoevesandt, Zürich: Theologischer Verlag, 1982

[9]       “Glaube oder Chaos?”, S. 73

[10]      Vgl. “The Worth of Work”, S. 178 f.

[11]      Vgl. Brabazon, S.177 f.

[12]      Dorothy L. Sayers: The Zeal of Thy House, Erstveröffentlichung: London, Gollancz, 1937

[13]      Vgl. ibid, S. 162

[14]      Ulrich Schulz-Buschhaus: Der Kriminalroman als “novel of character and manners”, S. 114 in: Formen und Ideologien des Kriminalromans, S. 107-122, Frankfurt/Main: Akademische Verlagsgesellschaft, 1975

[15]      Fritz Wölcken: Der literarische Mord, S. 264, Nürnberg: Nest Verlag, 1953

[16]      Sir Julian Freke ist der Mörder in Whose Body?.

[17]      Gaudy Night, S 170

[18]      Ibid, S.33

[19]      In Dashiell Hammets The Maltese Falcon ist der Detektiv Sam Spade der Mörder seines Partners, und in Agatha Christies The Murder of Roger Ackroyd? ist der Erzähler der Täter.

[20]      zur Verläßlickeit des Erzählers: vgl: Beatrix Finke, Erzählsituation und Figuren­per­spektiven im Detektivroman, S. 42-47, Amsterdam: Grüner, 1983 zur Situation bei The Murder of Roger Ackroyd, S. 133-139

[21]      Er bezieht sich hier auf den in Unnatural Death geschilderten Fall.

[22]      Wölcken, S. 268

[23]      Gaudy Night, S. 379

[24]      Ibid, S. 411

[25]      Ibid, S. 369

[26]      Ibid, S. 436 f.

[27]      Vgl. Reynolds, S. 71f.

[28]      Klein, S. 28

[29]      Gaudy Night, S. 440

5. Die Metamorphose des Lord Peter Wimsey

Einen Helden durch eine Reihe von Büchern zu tragen, birgt die Gefahr in sich, daß dieser an Originalität verliert.[1] Seine Tricks sind begrenzt, seine Art, sich zu verhalten, verändert sich nicht. Immer mehr Charaktere kommen in weiteren Bänden dazu und verhindern, daß der Held im Mittelpunkt steht. Auch Wimsey muß erfahren, daß nicht immer er den Hauptteil eines Romans bestreiten kann. So sind Miss Climpson in Unnatural Death und Harriet Vane in Have His Carcase und Gaudy Night die zentralen Charaktere. Harriet Vane stellt nicht nur eine Figur in einem Detektivroman dar, sie ist viel mehr – wie im vorigen Abschnitt ausführlich dargestellt – die Personifikation der modernen Frau, wie Dorothy L. Sayers sie sich wünscht. Sie steht im Leben, ist selbstbewußt, weiß, daß sie gute Arbeit leistet und ist stolz auf ihren Collegeabschluß.

Um diese Frau mit der Romangestalt Lord Peter Wimsey zu verheiraten, sah sich Dorothy L. Sayers gezwungen, diesen völlig  neu zu schaffen. Sie schreibt in ihrem Essay “Gaudy Night” über das Problem, das sich ihr am Ende von Strong Poison stellte, nämlich daß es ihr unmöglich war, eine akzeptable Lösung zu finden, wie Harriet Peters Heiratsantrag annehmen könnte, ohne ihr Gesicht zu verlieren.

“So there were only two things to do: one was to leave the thing there, with the problem unsolved; the other, far more delicate and dangerous, was to take Peter away and perform a major operation on him. If the story was to go on, Peter had got to become a complete human being, with a past, a future, with a consistent family and social history, with a complicated psychology and even the rudiments of a religious outlook. And all this would have to be squared somehow or other with such random attributes as I had bestowed upon him over a series of years in accordance with the requirements of various detective plots.”[2]

Um diese Aufgabe zu erfüllen, erwies es sich als glücklicher Umstand, daß Lord Peter Wimsey von vornherein mit einer Reihe von Charakterzügen sowie Familie und Lebenslauf ausgestattet war.

Dorothy L. Sayers sagt über ihren “Patienten”:

“When I came to examine the patient, he showed the embryonic buds of a character of sorts. Even at the beginning he had not been the complete silly ass: he had only played the silly ass, which was not the same thing. He had had shell-shock and a vaguely embittered love-affair; he had a mother and a friend and a sketchy sort of brother and sister; he had literary and musical tastes, and a few well-defined opinions and feelings; and a little tidying-up of dates and places would put his worldly affairs into order.”[3]

Auf dieser Basis galt es nun aufzubauen. In Whose Body? erfahren wir bereits von Wimseys Wohlstand, Bildung, Hobbys. Wir erfahren von seinem traumatischen Erlebnis im Krieg und dessen Folgen. Wir wissen, daß er gern den Dummkopf spielt, um harmloser zu wirken. Wir erleben seine Gewissensbisse, wenn er für die Verurteilung der Täter sorgen muß. Damit ist bereits ein Grundstock geschaffen, der größer ist als bei den meisten Helden der Detektivliteratur.

In Strong Poison erlebenwir Wimsey verliebt, verzweifelt, mit Selbstmordgedanken, mit der Angst, sich zu verändern.

In der Entwicklung der Beziehung zwischen Peter und Harriet verändert sich während Have His Carcase nichts grundlegendes. Allerdings behandelt Wimsey Harriet als gleichberechtigte Partnerin, wenn auch die Aufklärung des Falles letztendlich ihm zufällt. Interessant ist auch, daß große Teile des Romans aus Harriets Sicht beschrieben werden. Dadurch erlebt der Leser Wimsey aus einer veränderten Perspektive.

Gaudy Night soll nun das Werk sein, in dem es gelingt, aus Lord Peter Wimsey, dem Helden, Lord Peter Wimsey, den Menschen, zu machen und eine Basis zu finden, auf der Harriet und Peter eine gemeinsame Beziehung eingehen können. Die emotionale Position, in der sich Harriet und Peter am Anfang von Gaudy Night befinden, ist dieselbe wie am Ende von Strong Poison. Nicolas Freeling definiert diese so:

“Harriet thinks of herself as damaged goods; she must not abuse generous instincts, must not palm off this devalued woman upon a rich and infatuated admirer. She asks for friendship, and Wimsey, unexpectedly human, lonely, with nothing in his existence but vanity and pretension, persists in asking for love. This uneasy and real dilemma is the position in the opening pages of Gaudy Night.”[4]

Die zentrale Figur in Gaudy Night ist Harriet Vane. Ihr ehemaliges College, das fiktive Shrewsbury College in Oxford, wird von mutwilligen Zerstörungen und anonymen, beleidigenden Briefen heimgesucht. Das aufzuklärende Verbrechen ist also keiner der spektakulären Morde, die den Lord-Peter-Wimsey-Abenteuern unter anderem von George Orwell unterstellt wurden.[5] Sayers wollte durch die Wahl eines weniger blutigen Verbrechens sichern, daß die Handlung sich ausschließlich im Rahmen des Colleges bewegen kann, ohne daß die Polzei hinzugezogen werden muß oder daß der Fall zu viel Publizität erhält. Das Verbrechen muß so gestaltet sein, daß die Angehörigen des Colleges ein besonderes Interesse daran haben, es aufzuklären. Verleumdung durch anonyme Briefe, Sachbeschädigung durch einen “Poltergeist” und Wandschmierereien scheinen nicht nur glaubwürdig, sondern setzen auch alle Personen gleichmäßig einem Verdachtsmoment aus.[6]

5.1 Harriet Vane als Medium zur Darstellung Wimseys

Gaudy Night beginnt, kurz bevor die ersten Fälle dieser Art auftreten. Harriet ist zur Shrewsbury Gaudy anläßlich der Enthüllung einer neuen Uhr eingeladen. Harriet, die seit ihrer Schulzeit nicht mehr in Oxford gewesen ist, kommt der Einladung widerstrebend, einer alten Freundin zuliebe, nach. Bereits während der Feierlichkeiten werden die Themen des Buches vorgestellt. Das erste Thema ist das wissenschaftliche Streben nach Wahrheit. Ein weiteres Thema ist das Finden einer Lebensaufgabe, was von Dorothy L. Sayers mit job oder work gleichgesetzt wird. Das dritte Thema ist die Frage, inwiefern sich Intellekt und Emotionen miteinander vereinbaren lassen und ob in einer zwischenmenschlichen Beziehung nicht einer der Partner auf seine intellektuelle Selbstverwirklichung verzichten muß. Diese Gedanken greift Harriet, nachdem sie nach London zurückgekehrt ist, in einem Gespräch mit Lord Peter Wimsey wieder auf. Harriet glaubt, daß man sich zwischen Intellekt und Emotionen entscheiden muß, Peter hält einen Kompromiß für möglich.[7]

Lord Peter Wimsey ist in weiten Teilen von Gaudy Night eine Randfigur. Anfangs erfahren wir nur, daß er sich viel außer Landes aufhält, während eines Falles verletzt worden ist und natürlich, daß er in regelmäßigen Abständen um Harriets Hand anhält. Das gibt Dorothy L. Sayers die Gelegenheit, erstens Harriets Situation ausführlich darzustellen, zweitens Lord Peter zu zeigen, wie Harriet ihn sieht, und drittens Lord Peter zu beschreiben, wie ihn Dritte Harriet gegenüber schildern.

Da Harriet die emotionale Seite in Sayers’ Romanen verkörpert, erfahren wir durch sie mehr über den Menschen Lord Peter Wimsey. Sein Erscheinungsbild beginnt immer mehr einem realen Menschen zu ähneln. Kenney schreibt hierzu:

“[Wimsey´s] portrayal since Have His Carcase had been increasingly subtle, primarily because Sayers had begun to scrutinize him through Vane´s eyes. This shift makes the later novels at once more intimate and more realistic, for Vane´s proximity to Wimsey and her confused interest in him moves readers closer to this once distant and larger-than-life-hero. Wimsey´s unsuccessful attempts to woo Vane also humble the former superman, who has been used to getting whatever he wants.”[8]

So lesen wir zum Beispiel über Peters Verhältnis zu seinem Neffen Viscount Saint-George, der als junger Student gerade in Oxford lebt. Harriet begegnet diesem, als sie eines Morgens aus der Kirche kommt, in der sie Ruhe gesucht hatte. Die Stille in der Kirche kontrastiert die Lebhaftigkeit Gerald Wimseys, der Harriet erst umrennt und dann mit einem, auch für seinen Onkel Peter so typischen Redeschwall auf sie eindringt. Durch Gerald erfährt Harriet von Peters angespanntem Verhältnis zu seiner Schwägerin, seiner Abneigung gegen die Möglichkeit, den Titel seines Bruders übernehmen zu müssen, seiner Gutmütigkeit gegenüber seinem Neffen und schließlich von einer vergangenen Liaison mit einer Wiener Sängerin.[9]

Für diesen Neffen übernimmt Harriet später einen Teil seiner Korrespondenz, da er sich bei einem Autounfall verletzt hat und nicht schreiben kann. In einem vorangegangenen Brief an Peter hatte Saint George seinen Onkel um Geld gebeten, um überfällige Schulden begleichen zu können. Harriet liest dem jungen Wimsey die Antwort auf seine Bitte vor. Peter zeigt sich in seinem Antwortbrief großzügig, aber auch patronisierend. Der Brief repräsentiert für Harriet alles, was sie an Peter verabscheut. Aber gleichzeitig verändert er ihre Position zu Wimsey. Denn sie erfährt Sachen über ihn, die seine Privatsphäre betreffen, und erstmals fühlt sie sich ihm überlegen.

“In fact, for the first time in their acquaintance, she had the upperhand of Wimsey, and could rub his aristocratic nose in the dirt if she wanted to. Since she had been looking for such an oppurtunity for five years, it would be odd if she did not hasten to take advantage of it.”[10]

Aber letztendlich ist sie doch eher auf seine Gefühle und sein Ehrempfinden bedacht und bemüht sich, einen passenden Antwortbrief zu verfassen.[11]

Eine weitere Quelle der Information, sowohl für Harriet als auch für den Leser, ist ein alter Freund Peters, Freddy Arbuthnot, dem sie während der Semesterferien in London begegnet. Von ihm erfahren wir, daß Wimsey gelegentlich für das Foreign Office in diplomatischer Mission tätig ist.[12] Das wird allerdings bereits zuvor angedeutet, wenn wir Lord Peter beim Lesen eines Briefes von Harriet beobachten können.

Dorothy L. Sayers macht sich also die Abwesenheit Wimseys zu nutze, um Harriet einen Wimsey erfahren zu lassen, den weder sie noch der Leser zuvor kannten.

Margaret P. Hannay beschreibt diese Technik:

“By her skilful use of Harriet´s perspective Sayers lulls the readers into thinking there is a good reason for them not to have seen this side of Peter before. The truth is, of course, that these weaknesses did not exist before this novel, but they have been skilfully projected back into the past.”[13]

5.2  Wimsey als Akademiker

Wenn Lord Peter Wimsey endlich in Oxford erscheint, unerwartet, denn er wird in Warschau vermutet – erlebt Harriet ihre größte Überraschung. Sie begegnet ihm in Begleitung des Masters of Balliol, ausgestattet mit allen äußerlichen Insignien eines Oxfordabsolventen.[14] Er ist in eine geschichtliche Diskussion verstrickt, in der er als gleichberechtigter Partner mit Sachverstand ausgestattet akzeptiert wird. Auch die Dekanin vom Shrewsbury College, mit der Harriet die Universitätsandacht besucht hatte, ist nicht im geringsten von Lord Peters akademischer Seite überrascht. Harriet schämt sich fast ihrer Ignoranz Wimsey gegenüber, den sie offenbar bisher nur oberflächlich eingeschätzt hat.

Auch dem Leser ist dieser Wimsey neu, der sich wie selbstverständlich zwischen Gelehrten bewegen kann, weil er zu ihnen gehört. Natürlich wußte man bereits aus vorangegangenen Büchern, daß Wimsey studiert hat und vielseitig gebildet ist. Aber als Akademiker war er bisher nicht in Erscheinung getreten.

Bei ihrem ersten alleinigen Treffen im Zimmer der Dekanin erleben wir Wimsey erschöpft von seinen diplomatischen Aufgaben. Wie wir bereits zuvor erfahren haben, war er in Italien.[15] Dort wurde er von einem nicht näher bezeichnetem Count als Verhandlungspartner gesucht, von dem er in einer Unterhaltung mehr Informationen bekam als dieser sich bewußt war zu geben. Wimsey übte sich also in einer Agententätigkeit. Bei ihrer Begegnung spielt er seine diplomatische Aufgabe jedoch in gewohnter Manier herunter. Er gesteht allerdings ein, daß es sein Auftrag sei, durch seine unterhaltsame Art der Konversation “geradezubiegen”, was andere verdorben hatten. Deutlich wird zudem, daß Wimsey um die Entwicklung Europas besorgt ist. Er befürchtet, daß es zu einem neuen Krieg kommt.[16]

Wenn sie sich treffen, tragen beide noch immer die äußerlichen Merkmale ihrer Gelehrtenwürde, nämlich die Kappe und den Umhang. Bei ihrer Unterhaltung legen sie diese natürlich ab. Bei seinem überhasteten Aufbruch verwechselt Peter seinen Umhang mit Harriets. Harriet sagt zu sich selbst:

“‘Bless the man, if he hasn´t taken my gown instead of his own! Oh, well it doesn´t matter. We´re much of a height and mine´s pretty wide on the shoulders, so it´s exactly the same thing.’

And then it struck her as strange that it should be the same thing.”[17]

Deutlich spielt Sayers hier auf die intellektuelle Ebenbürtigkeit der beiden Protagonisten an. Für Harriet ist diese Vorstellung noch neu.

In der Person des Pförtners Padgett begegnet Peter einem Bekannten aus dem vorangegangen Krieg. Er erkennt Wimsey, als dieser nach einem Dinner von Harriet zum Tor begleitet wird. Padgett gehörte zu der Einheit des Major Wimsey, und war einer der Männer, die Peter befreiten, als dieser bei einem Angriff lebendig begraben wurde. Padgett verehrt Wimsey sehr. Er erzählt sogar, daß er sich einmal für ihn geschlagen habe, als ein anderer Soldat Wimsey hinter dessen Rücken beleidigt hatte.[18]

Bei einer Bootsfahrt zu zweit erkennen Harriet und Peter neue Gemeinsamkeiten. Beide heben sich deutlich von den Studenten ab, die sich ebenfalls auf dem Fluß die Zeit vertreiben. Erstens sind sie viel konservativer gekleidet – Harriet natürlich nicht im Badeanzug, sondern in weißem Leinen, Peter wählt traditionelle, der Vorkriegsmode entsprechende Kleidung statt moderner Shorts. Außerdem messen sich beide in der Kunst des Stakens und strafen die studentischen Neulinge mit Verachtung.

Sie begegnen dabei einem Schulfreund Wimseys, Mr. Peake, der eine Anekdote zum Besten gibt. Er erzählt, wie zu ihren gemeinsamen Studientagen Wimsey von den Kommilitonen als Sehenswürdigkeit vorgeführt wurde.

“‘You know,’ said Mr. Peake to the world at large, ‘when we were up together – shocking long time ago that is – never mind! If anyone got landed with a country cousin or an American visitor who asked, as these people will, ”What is this thing called the Oxford manner?” we used to take ´em round and show ´em Wimsey of Balliol. He fitted in very handily between St. John´s Gardens and the Martyr´s Memorial.’

‘But suppose he wasn´t there, or wouldn´t perform?’

‘That catastrophe never occured. One never failed to find Wimsey of Balliol planted in the centre of the quad and laying down the law with exquisite insolence to somebody.’

Wimsey put his head between his hands.

‘We were accustomed to lay bets,’ went on Mr. Peake, who seemed to have preserved an undergraduate taste in humour, owing, no doubt, to continuous contact with First-Year mentality, ‘upon what they would say about him afterwards. The Americans mostly said, ”My, but isn´t he just the perfect English aristocrat!” but some of them said, ”Does he need that glass in his eye or is it just part of the costoom ?”’

Harriet laughed, thinking of Miss Schuster-Slatt.

‘My dear -’ said Mrs. Peake, who seemed to have a kindly nature.

‘The country cousins,’ said Mr. Peake remorselessly, ‘invariably became speechless and had to be revived with coffee and ices at Buol´s.’

‘Don´t mind me,’ said Peter, whose face was invisible except for the tip of a crimson ear.”[19]

Der arme Wimsey wird hier der Lächerlichkeit preisgegeben, ausnahmsweise ohne daß er aus eigenem Antrieb in die Rolle des buffoons schlüpft, und das ausgerechnet in der Gegenwart der Frau, die er liebt. So bröckelt wieder etwas vom Podest des Superhelden. Sayers arbeitet hart an der Imageveränderung Wimseys. Er ist nicht makellos, er hat eine Jugend gehabt, in der ihn andere vorgeführt haben und es ist ihm heute peinlich, daran erinnert zu werden.

Harriet wird dieser menschlichere Wimsey viel zugänglicher und sympathischer. Als sie ihn etwas später, während er ihre Aufzeichnungen über den Fall studiert, beobachtet, fallen ihr viele Kleinigkeiten auf, die nur einem verliebten Menschen auffallen: die kleinen Lachfältchen, die goldenen Härchen auf den Wangen, der kleine zuckende Muskel in der Ecke des sensiblen Mundes. Wimsey blickt auf, und Harriet errötet. Nun erst wird ihr klar, was sie im tiefsten Inneren schon wußte, was sie sich aber bisher nicht einzugestehen gewagt hatte: Sie liebt Wimsey. Als der erschöpfte Peter im Boot einschläft und vor ihr in seiner ganzen Verletzlichkeit und Angreifbarkeit liegt, wird der Schlaf zum Test für Harriets Gefühle. Empfindet sie ihn, in der Öffentlichkeit schlafend, als lächerlich? Nein, sie will seinen Schlaf beschützen, erbost sich, als sie von einem anderen Boot gerammt werden und Peter dadurch geweckt wird. Ohne sein Zutun hat Peter etwas von seiner Privatsphäre eingebüßt. Harriet entdeckt die neue Intimität und will etwas weiter in ihn dringen, etwas über seine Liebe zur Literatur erfahren, seine Vorlieben für bestimmte Bücher. Peter jedoch blockt ihre Fragen ab und sie muß feststellen, daß sie an die Grenzen seiner Bereitschaft gestoßen ist, etwas über sich preiszugeben.

Lord Peter Wimsey wird auch als Objekt der körperlichen Begierde Harriets dargestellt:

“[Harriet] had first met Peter at a moment when every physical feeling had been battered out of her by the brutality of circumstance; by this accident she had been aware of him from the beginning as a mind and spirit localised in a body. Never- not even in those later dizzying moments on the river – had she considered him primarily as a male animal, or calculated the promise implicit in the veiled eyes, the long, flexible mouth, the curiously vital hands. Nor, since of her he had always asked and never demanded, had she felt in him any domination but that of the intellect. But now, as he advanced towards her along the flower-bordered path, she saw him with new eyes – the eyes of the women who had seen him before they knew him – saw him, as they saw him, dynamically. Miss Hillyard, Miss Edwards, Miss de Vine, the Dean even, each in her own way had recognised the same thing: six centuries of possessiveness, fastened under the yoke of urbanity.”[20]

Hier beginnt auch Harriets Sexualität eine Rolle in ihrem Auftreten gegenüber Wimsey zu übernehmen. Bereits in Strong Poison verkündet Peter, daß er Referenzen über seine Liebestechnik vorweisen könne,[21] und in Busman´s Honeymoon wird nach der Hochzeitsnacht angedeutet, daß Harriet Peter verdächtigt, am ersten Morgen ihrer Ehe nicht zu wissen, wer mit ihm im Bett liegt.[22]

Das große Thema von Gaudy Night heißt jedoch intellektuelle Integrität. Als Dorothy L. Sayers sich mit dem Gedanken getragen hatte, einen Oxford-Roman zu schreiben, hatte sie sich gefragt, was das Wichtigste sei, das man einer universitären Ausbildung zu verdanken habe.[23] Sie kommt zu dem Schluß, daß es die intellektuelle Integrität ist, die gleichzeitig die Grundlage für jedwede Wissenschaft bildet. Die Möglichkeit, dieses Thema in einer Detektivgeschichte unterzubringen, war für Sayers die Gelegenheit, endlich ihre persönliche Wahrheit zu verkünden. Außerdem beinhaltet dieses Thema die Lösung der Probleme, die sie mit der Beziehung ihrer Romancharaktere hatte.

“Allein auf der intellektuellen Plattform,” so Sayers, “können Harriet und Peter gleichberechtigt sein.”[24]

Um auch der Detektivgeschichte Plausibilität verleihen zu können, mußte das Motiv die Überlegenheit des Intellekts über die Emotionen betonen.

“(…) it was necessary for my theme that the malice should be the product, not of intellect starved of emotion, but of emotion uncontrolled by intellect. And to knit the plot tight it must be more than this: it must be emotion revenging itself upon the intellect for some injury wrought by the intellect upon the emotions.”[25]

5.3  Integrität als Basis einer Beziehung

Dorothy L. Sayers gibt im Anschluß an die Flußszene Hinweise auch über ihre eigenen Absichten mit Gaudy Night. Harriet spricht mit Peter über ihre Probleme mit ihrem neuen Roman. Sie erzählt ihm die ganze Geschichte und Peter fällt auf, daß das Problem bei Winfried, einer ihrer Figuren, liegt. Wimsey sagt, daß dieser sich völlig unnatürlich verhalte, was daran liege, daß Harriet die menschliche Verhaltensweise unberücksichtigt lasse. Sie stimmt ihm zu. Um glaubwürdige Gestalten zu schaffen, muß sie ihren Schreibstil verändern. Peter sagt ihr wie:

“‘You would have to abandon the jig-saw kind of story and write a book about human beings for a change.’

‘I´m afraid to try that, Peter. It might go too near the bone.’

‘It might the wisest thing you could do.’

‘Write it out and get rid of it?’

‘Yes.’

‘I´ll think about that. It would hurt like hell.’

‘What would that matter, if it made a good book?’”[26]

Erstens beschreibt Sayers die Schwierigkeit, eine emotionale Handlung glaubwürdig in einer Detektivgeschichte unterzubringen, und zweitens betont sie die Verpflichtung, gute Arbeit zu leisten. Was Harriet wundert, ist, daß Peter ihrer Arbeit so viel Bedeutung beimißt und daß er nicht in eine Beschützerrolle fällt.

“The protective male? He was being about as protective as a can-opener.”[27]

Damit gesteht Wimsey Harriet ihre Selbständigkeit zu. Das setzt für Harriet eine mögliche Beziehung in ein ganz neues Licht. Eine Ehe, in der beide, auch intellektuell, gleichberechtigte Partner sind, hat sie bis dahin für unmöglich gehalten. Mit dem Wimsey der früheren Bücher wäre das auch kaum möglich gewesen.[28]

Wimsey sieht auch die physische Gefahr, in der Harriet sich befindet. Um ihr aber ihre Selbständigkeit zu lassen, spielt er sich auch in diesem Fall nicht als der männliche Beschützer auf. Er unterstützt sie zwar insofern, daß er sie berät, wie sie sich selbst schützen kann, indem er ihr Selbstverteidigung beibringt und ein Hundehalsband als Schutz gegen einen Würger kauft, läßt sie aber das volle Risiko tragen.[29] Auf diese Art und Weise macht Wimsey es Harriet möglich, ihre vermeintliche Schuld an ihm abzutragen.[30]

Eine der menschlichsten Seiten, die Sayers Wimsey zugesteht, ist seine Eifersucht.

Harriet hat in Oxford den jungen Studenten Reginald Pomfret in einer für ihn kompromittierenden Situation kennengelernt. Pomfret hilft nachts einer angetrunkenen Studentin, heimlich über die Mauer zurück ins College zu gelangen. Harriet erwischt ihn dabei, läßt aber Gnade vor Recht ergehen, allerdings mehr, um der Studentin zu helfen. Pomfret entwickelt eine Schwärmerei für Harriet und macht ihr sogar einen Heiratsantrag. Als Peter mit Harriet in einem Antiquitätengeschäft für sie ein Set Schachfiguren kaufen will, begegnet ihnen Pomfret, leicht angetrunken.[31] Wimsey singt in diesem Moment aus einer übermütigen Laune heraus ein Liebeslied für Harriet. Pomfret hört das Lied und mißversteht dessen Text als Anspielung auf seinen abgelehnten Heiratsantrag. Er greift Wimsey zunächst verbal, dann tätlich an. Wimsey reagiert sehr erregt – zum einen wegen des Angriffs an sich, zum anderen, weil er durch Pomfrets Ungestüm merkt, daß er alt wird. In seiner Erregung ist Wimsey versucht, Pomfret zum Duell zu fordern. Harriets Erklärung kann ihn jedoch besänftigen, und er schreibt Pomfret einen Brief, der diesem die Situation erklären soll. Später sprechen sich die beiden aus, und Pomfret wendet sich mit seinen Gefühlen der Studentin zu, durch die Harriet und er sich ursprünglich kennengelernt hatten.

Wimsey ist in dieser Episode sehr emotional und gibt Harriet gegenüber mit den von ihm bestrittenen Duellen an. Trotz dieses Rückfalles in die Pose des Supermannes finden Harriet und Peter am Ende zueinander.

Der Unterschied zu früheren Erscheinungsformen des Superhelden Wimsey ist hier, daß er sich in dieser Haltung selbst als lächerlich empfindet. Er weiß, daß er angibt. Aber er spürt, obwohl er gezeigt hat, daß er Pomfret körperlich und moralisch überlegen ist, ein Gefühl der Schwäche. Er spürt sein Alter und seine körperliche Kleinheit. Er ist in seiner Eitelkeit verletzt.

Bei dem Dinner mit den Dons des Shrewsbury College, bei dem Wimsey diese zum ersten Mal alle gemeinsam trifft und zum überwiegenden Teil auch erst kennenlernt, brilliert er durch subtile Verhörtechnik und Redekunst.[32] Sogar Miss Hillyard, die männerfeindliche Geschichtsprofessorin, kann von ihm gewonnen werden. Als Dr. Baring, die Direktorin des Colleges, Wimsey auf das Thema Philosophie, ihr persönliches Fachgebiet, bringen will, gesteht er ein, daß er sich dort nicht genug auskenne, um eine kompetente Meinung abgeben zu können. Dadurch gewinnt er enorm an Ansehen. Geschickt bringt er das Thema auf das von ihm vermutete Motiv für die mysteriösen Vorkommnisse im College. Er nimmt an, daß jemand durch seine Unnachgiebigkeit in wissenschaftlichen Fragen einen anderen so verletzt haben müsse, daß dieser einen unbändigen Groll hege. Tatsächlich hat Miss de Vine, als sie Dekanin eines anderen Colleges war, einen Kollegen entlarvt. Dieser hatte einen Brief unterschlagen, um seine These zu stützen, die ihm eine gesicherte Anstellung verschafft hätte. Nachdem Miss de Vine, die dem Gremium angehörte, das über die Anstellung des Kollegen zu befinden hatte, ihre Kenntnis um diesen Brief publik gemacht hatte, war die Karriere des Mannes zu Ende. In akademischen Kreisen wurde nie wieder etwas von ihm gehört.

Sayers führt Wimsey dreimal in Versuchung, das Prinzip der Integrität zu verletzen, indem er eine Schwäche Harriets ausnutzt, um sie so für sich zu gewinnen. Das erste Mal bei der gemeinsamen Bootsfahrt, als Harriet ihre Liebe erkennt und rot wird, als Peter sie ansieht. Er wendet sich, statt die Gelegenheit zu nutzen, wieder ihren Aufzeichnungen zu. Denn er weiß, das alte Problem, daß Harriet sich ihm unterlegen fühlt, weil sie meint, ihm Dankbarkeit zollen zu müssen, ist noch nicht beseitigt. Das zweite Mal, im Botanischen Garten, warnt er sie vor den Auswirkungen, die devote Liebe, wie in dem Motiv für die Verbrechen, haben kann.

“‘(…) of all devils let loose in the world there was no devil like devoted love.’”[33]

Das dritte Mal widersteht Peter, als Harriet sich seinem Schutz unterwerfen will, nachdem ihre geliebten Schachfiguren zerstört worden sind.[34]

Peter muß der Versuchung widerstehen, denn nur gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung können das Dilemma lösen, in dem Harriet und Peter sich seit Strong Poison bewegen. Sayers beschreibt ihre Absichten so:

“Peter´s honesty of mind had to tell him that if Harriet accepted him under any sort of misapprehension, or through any insincerity on his part, they would be plunged into a situation even more false and intolerable than that from which they started. She must come to him as a free agent, if she came at all, and must realize that she was independent of him before she could bring him her dependence as a willing gift.”[35]

Die Lösung des Falles gefährdet in starkem Maße die Beziehung zwischen Harriet und Peter. Am Anfang des Buches hatten die beiden bei einem Abendessen darüber gesprochen, ob es möglich sei, in einer Partnerschaft Intellekt und Emotionen zu verbinden. Harriet war der Ansicht, daß solch eine Verbindung zu katastrophalen Folgen führen muß. Im weiteren Verlauf zeichnet sich immer deutlicher ab, daß das Motiv der Täterin im Zusammenhang mit dem Konflikt Intellekt-Emotionen steht. Peter hat das recht früh erkannt und fürchtet, daß Harriet diesen konkreten Fall als Beweis für ihre These nehmen könnte.

“They were half-way across the quad when he said suddenly:

‘Harriet. Do you really prize honesty above every other thing?’

‘I think I do. I hope so. Why?’

‘If you don´t, I am the most blazing fool in Christendom. I am busily engaged in sawing off my own branch. If I am honest, I shall probably lose you altogether. If I am not-’

His voice was curiously rough, as though he were trying to control something; not, she thought, bodily pain or passion, but something more fundamental.

‘If you are not,’ said Harriet, ‘then I shall lose you, because you wouldn´t be the same person, would you?’”[36]

4. Die Rolle der Frau bei Dorothy L. Sayers

6. Der Wert der Arbeit und intellektuelle Integrität


[1]       Vgl. Hanna Charney: The Detective Novel of Manners, Hedonism, Morality and the Life of Reason, S. 105, Rutherford: Fairleigh Dickinson University Press, 1981

[2]       “Gaudy Night” (Essay), S. 211

[3]       Vgl. Ibid, S. 211

[4]       Nicolas Freeling: Criminal Convictions, Errant Essays on Perpetrators of Literary Crime License, S. 124, London: Owen, 1994

[5]       Vgl. George Orwell: “Raffles and Miss Blandish”, S. 237 in Collected Essays, S. 233-247, London, 1961

[6]       Vgl. “Gaudy Night” (Essay), S. 213

[7]       Vgl. Gaudy Night S. 65 f.

[8]       Kenney, S. 84

[9]       Vgl. Gaudy Night S.165

[10]      Ibid, S. 181

[11]      Vgl. Hannay, S. 47

[12]      Vgl.Gaudy Night S. 212

[13]      Hannay, S. 48

[14]      Vgl. Gaudy Night, S. 263 f.

[15]      Ibid, S. 210

[16]      Gaudy Night wurde 1935, also zwei Jahre nach der Machtergreifung Hitlers und vier Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkrieges veröffentlicht.

[17]      Ibid, S. 272 f.

[18]      Vgl. ibid, S. 335ff.

[19]      Gaudy Night, S. 275 f.
Miss Schuster-Slatt ist eine ehemalige amerikanische Kommilitonin Harriets.

[20]      Ibid, S. 393

[21]      Vgl. Strong Poison. S. 46

[22]      Vgl. Busman´s Honeymoon, S. 69

[23]      Vgl. “Gaudy Night”(Essay), S. 212 f.

[24]      Vgl. ibid, S. 213

[25]      Ibid, S. 214

[26]      Gaudy Night, S. 291

[27]      Ibid, S. 291

[28]      Vgl. Patricia Craig & Mary Cadogan: The Lady Investigates, S. 193, London: Gollancz, 1981

[29]      Vgl. Gaudy Night, S. 361-364

[30]      Vgl. Lewis, S. 71

[31]      Vgl. ibid, S. 365-373

[32]      Vgl. ibid, S. 309-332

[33]      Ibid, S. 379

[34]      Vgl. Gaudy Night, S. 386

[35]      “Gaudy Night”(Essay), S. 216

[36]      Gaudy Night, S. 334

4. Die Rolle der Frau bei Dorothy L. Sayers

In der Goldenen Ära waren Autorinnen wie Agatha Christie und Dorothy L. Sayers dominierend für das Bild des Detektivromans. Trotzdem sind die meisten Detektive männlich. Das hat wahrscheinlich darin seine Ursache, daß die wichtigsten Eigenschaften des Detektivs, nämlich rationales Denken und physische Stärke, stereotypisch Männern zugeschrieben werden. Dem Detektivroman kommt dadurch ein eher konservatives Image zu. Heta Pyrhönen schreibt, daß, auch wenn Frauen als Detektive auftreten, sie immer noch an alte Rollenvorstellungen gebunden seien. Von ihnen werde verlangt, daß sie entweder als Frau oder als Detektiv scheitern.[1] Auch bei der unbestreitbar konservativen Dorothy L. Sayers ist der Detektiv männlich, und wenn Harriet als Detektivin agiert, ist sie nicht erfolgreich. Trotzdem hatte Sayers Vorstellungen über die Gleichberechtigung der Frau. Sie selbst beanspruchte für sich das Recht, nach ihren eigenen Vorstellungen zu leben und nicht die Erwartungen der Gesellschaft erfüllen zu müssen. Wenn sie Hosen tragen wollte, tat sie das, wenn sie ihrer Leidenschaft für das Motorradfahren nachkommen wollte, tat sie das. Aber sie tat es nicht, weil Männer das tun und Frauen das gleiche Recht dazu haben müssen, sondern weil es ihr so gefiel – oder praktisch war.[2]

Wenn in den Lord-Peter-Wimsey-Romanen Frauen beschrieben werden, handelt es sich um Frauen des Großbritanniens zwischen den Weltkriegen.

Die Rolle der Frau hatte sich nach dem Ersten Weltkrieg erheblich verändert. Die Frauen waren während des Weltkrieges in den industriellen Produktionsprozeß miteinbezogen worden. Das alte Rollenbild, das sich ohnehin durch die industrielle Revolution schon seit langem in der Auflösung befand, gehörte, wie auch in anderen Teilen Europas, der Vergangenheit an. Doch mit der Heimkehr der Männer nach dem Krieg wurden die meisten der Frauen wieder entlassen, was zu einem veränderten Selbstverständnis der Frauen führen mußte. Sie hatten gezeigt, daß sie die Arbeit der Männer ebenso gut verrichten konnten wie diese, und hatten auch Spaß an der neuen Verantwortung gefunden. Diese Verantwortung sollte ihnen nun wieder genommen werden.

4.1  Die Frauen in Sayers’ Romanen

In Sayers’ Romanen finden wir viele Frauen, die allein für ihren Lebensunterhalt sorgen müssen. Sie gehen den verschiedensten Berufen nach. Sie arbeiten als Krankenschwestern, Professorinnen, in Werbeagenturen, als Sekretärinnen, als Haushaltshilfen, Kriminalautorinnen. Viele von ihnen sind unverheiratet, denn der Krieg hatte vielen Männern das Leben gekostet. Dadurch stellten die Frauen die Mehrheit der Bevölkerung dar. Man sprach von “surplus woman”.[3] Diese stellten jedoch keinesfalls eine homogene Gruppe dar.

So sind auch die Frauen in Dorothy L. Sayers’ Romanen unterschiedlichster Natur. Wir finden einfache Frauen mit geringer Bildung; Frauen des Mittelstandes, die versuchen, sich zu emanzipieren; Frauen, die allein leben, einen Ehemann suchen und andere, die auch ohne Mann sehr gut zurecht kommen. Sayers beschreibt Frauen der Oberschicht, die Standesdünkel haben, wie zum Beispiel Wimseys Schwägerin, und solche, wie seine Schwester, die sich über derartige Vorurteile hinwegsetzen.

Und es gibt die Gruppe der intellektuellen Frauen, zu der auch Harriet Vane gehört. Es war zwar schon längere Zeit üblich, daß Frauen an den Universitäten Großbritanniens studieren konnten,[4] aber daß sie auch einen Abschluß bekamen, war eine neue Errungenschaft. Selbst Dorothy L. Sayers war eine der ersten Frauen, die ihren Master of Arts (offizielle Anrede: Magistra) machen konnten.[5] Die Frauen in Oxford hatten, wie wir in Gaudy Night erfahren, keinen leichten Stand. Sie mußten sich gegenüber den männlichen Dons vorsichtig verhalten, standen permanent in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Für die Presse waren die von Frauen für Frauen geleiteten Colleges eine Quelle möglicher Skandale.[6] In Gaudy Night beschreibt Sayers die Menschen und das Zusammenleben an einem dieser Colleges.

In Strong Poison lernen wir unter anderem einen gesellschaftlichen Kreis kennen, in dem die moderne, gebildete Frau zwischen den Kriegen verkehrte. Es handelt sich um die links-intellektuellen Künstlerkreise, die Frauen wie Marjorie Phelps, wie Harriet Vane, und auch Wimseys Schwester, Lady Mary, besuchten. In Strong Poison stattet Lord Peter Wimsey gemeinsam mit Marjorie Phelps dieser Gruppe einen Besuch ab, um Informationen über Harriets ermordeten ehemaligen Lebensgefährten zu sammeln. Er trifft auf Exilrussen, Künstler und Feministinnen. Marjorie Phelps, die ihre wichtigste Rolle in The Unpleasantness at the Bellona Club[7] spielt, steht exemplarisch für die Künstlerinnen im London der zwanziger Jahre.

Lady Mary, die sich, obwohl Aristokratin, eine Weile in kommunistischen Kreisen aufgehalten hat, gehört zu den neben Harriet Vane und Miss Climpson am ausführlichsten dargestellten, weiblichen Charakteren bei Sayers. Am meisten erfahren wir über sie in Clouds of Witness.[8] Sayers erzeugt das Bild einer vermögenden Frau mit sozialem Engagement, die aber recht orientierungslos ist. Sie sucht nach einer Berufung, glaubt diese in ihrem politisch engagierten Geliebten George Goyles gefunden zu haben, wird aber von ihm enttäuscht. Die Mitglieder der kommunistischen Kreise, in denen sich beide bewegen, setzen sich aus Menschen der gehobenen Mittelschicht und der Oberschicht zusammen. Sayers gibt der kommunistischen Bewegung Großbritanniens dadurch den Anschein einer Modebewegung, die bei den verwöhnten Kindern reicher Eltern populär ist.

Nachdem Lady Mary Lord Peters Freund Charles Parker kennenlernt, entwickelt sich zwischen den beiden eine Beziehung, die durch Peters freundschaftliche Vermittlung in einer zufriedenen Ehegemeinschaft endet.[9] Lady Mary wird zu einem häuslichen Typen und beschäftigt sich mit der Einrichtung von Häusern.

4.1.1    Die alte Jungfer

Eine große Rolle kommt in Sayers’ Romanen den spinsters zu. Hier gibt es zwei unterschiedliche Gruppen: zum einem die Frauen, die resigniert haben und die ihnen von der patriarchalischen Gesellschaft zugewiesene Rolle akzeptiert haben; und zum anderen, die Frauen, die mit dieser Rolle nicht einverstanden sind. Die Damen der ersteren Gruppe finden wir in den boarding-houses, in den Küstenorten, wo sie keiner Verpflichtung nachgehen und sich gegenseitig den neuesten Klatsch erzählen. Die andere Gruppe rekrutiert sich aus Frauen, die der ihnen zugewiesenen Rolle überdrüssig geworden sind und die einen befriedigenderen Weg beschreiten wollen. Dorothy L. Sayers hat Lord Peter Wimsey in dieser Bevölkerungsschicht ein Potential erkennen lassen, das er sich zu seinen Zwecken nutzbar macht. Er unterhält ein Schreibbüro mit Miss Katherine Climpson an der Spitze, in dem ausschließlich alleinstehende Frauen beschäftigt sind. Dieses Schreibbüro entlarvt Betrüger und Wucherer und arbeitet ab und an direkt für Wimsey. In Unnatural Death äußert sich Lord Peter gegenüber Charles Parker über seine Cattery, wie er seine weiblichen Detektive scherzhaft nennt.

“‘Miss Climpson’, said Lord Peter, ‘is a manifestation of the wasteful way in which this country is run. Look at electricity. Look at water-power. Look at the tides. Look at the sun. Millions of power units being given off into space every minute. Thousands of old maids, simply bursting with useful energy, forced by our stupid social system into hydros and hotels and communities and hostels and posts as companions, where their magnificent gossip-powers and units of inquisitiveness are allowed to dissipate themselves or even become harmful to the community, while rate-payers´ money is spent on getting work for which these women are providentally fitted, ineffeciently carried out by ill-equipped police-men like you.’”[10]

Miss Climpson ist eine dieser Frauen, die eine Beschäftigung haben, die ihrer Veranlagung entspricht.

Mit dem Thema der spinster greift Dorothy L. Sayers ein typisches Problem der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen auf. So schreibt Catherine Kenney:

“The spinster-sleuth is a striking example of detective fiction´s tendency to reflect the particulars of its time, in this case, the changing status of women and their quest for fulfilling work. Specifically, the type suggests a way of women who had become ‘superfluous’ or redundant – to use the more contemporary but equally cruel adjective – since the mid-nineteenth century, the time of the detective story´s birth. Until the last century, the term ‘spinster’ was blandly descriptive, with none of the pejorative connotations it carries today. Presumably, it took on negative connotations when the number of unmarried women became, in Nina Auerbach´s words ‘a social headache almost as great as that of the ubiquitous “deserving poor”’. Sayers´ novels show that she was not only keenly aware of this social headache, which had been intensified by the Great War, but was also ready to suggest some anodynes for the condition.” [11]

Da es sich bei Sayers’ Romanen nicht um in erster Linie gesellschaftskritische Bücher handelt, kann man nicht erwarten, daß sie eine wirkliche Lösung des Problems liefert. Was sie jedoch tut, ist, ein Problem aufzuzeigen und in der Handlung ihrer Romane zu verarbeiten. Beachtenswert ist die Darstellung der Miss Climpson. Sie ist eine Frau, die rational ist, eine Arbeit verrichtet, die ihr Spaß macht und die den ihr gestellten Aufgaben mit Professionalität und Einfallsreichtum nachkommt. Sayers vermeidet es, ihr Attribute wie weibliche Intuition oder ähnliche Klischees mitzugeben. Im Gegenteil: Katherine Climpson manipuliert in Strong Poison eine Seance, um eine Geschlechtsgenossin auszuhorchen. [12]

Catherine Kenney sagt über Miss Climpson:

“She is (…) a fine flower of the Victorian era, displaying some of its more attractive values, including duty, propriety, and enterprise. In the broadest cultural terms, Miss Climpson represents those generations of women who ‘went before’ Harriet´s time, preparing the way for later women to have fuller lives.”[13]

Miss Climpson ist eine der Randfiguren, in denen sich Dorothy L. Sayers’ Freude zum Detail und ihr Spaß an der Beschreibung der kleinen Nebencharaktere zeigen, die den frühen Lord-Peter-Wimsey-Romanen zu Realitätsnähe verhelfen. John Brabazon schreibt über die Rolle der Miss Climpson:

“As one might suppose, it is through the eyes of a woman that Dorothy begins to show us a world of every-day human beings. Miss Climpson, to whom we are introduced in Unnatural Death, belongs to that group who were all too familiar to Dorothy Sayers – indeed to Europe in general in the years after the First World War – the army of ageing spinsters. For Dorothy, brought up among spinster aunts and barely escaping spinsterhood herself, Miss Climpson was someone she fully understood and sympathized with. Wimsey was fabricated for a purpose – Miss Climpson came from the heart.”[14]

So sind es eigentlich die Frauen, denen Harriet Vane ihr Leben verdankt:[15] Miss Climpson, die das Motiv aufdeckt, und Joan Murchinson, die den schriftlichen Beweis für das Motiv sichert und dabei einen Gefängnisaufenthalt riskiert.

4.1.2    Die intellektuelle Frau

Besonders intensiv wird die Rolle der Frau in Gaudy Night untersucht, dem Roman, der heute als erster feministischer Detektivroman betrachtet wird.[16]

Sayers beschäftigt sich hier mit Akademikerinnen. Wie schon bei Miss Climpson macht sich Dorothy L. Sayers bestehende Vorurteile zunutze, um den Leser in eine bestimmte Gedankenbahn zu lenken. Von einem Charakter mit dem formalen Erscheinungsbild der typischen alten Jungfer, wie es auch Miss Climpson zuteil wird, erwartet der Leser eher Leicht- und Geistergläubigkeit, Schwatzhaftigkeit, Intoleranz gegenüber der Jugend. Was ihm jedoch geboten wird, ist eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht und mit einer gehörigen Portion gesunden Menschenverstandes ausgestattet ist.

“Miss Climpson had seen many strange things in sixty-odd years of boarding-house life, and was as free from repressions and complexes as any human being could very well be… .”[17]

Ähnlich manipuliert Sayers den Leser in bezug auf die Dons in Gaudy Night. In der klosterähnlichen Gesellschaft der weiblichen Dons und Studenten am Shrewsbury College treibt ein Poltergeist sein Unwesen, der mit anonymen Briefen, Wandschmierereien und Vandalismus die Gemeinschaft in Schrecken versetzt. Als Motiv für die Taten des offensichtlich weiblichen Täters deutet Sayers immer wieder eine unterdrückte Sexualität bzw. eine unterdrückte Weiblichkeit an.[18] So schreibt Bruce Merry:

“The hoary old clichés about repressed spinsters are raised just often enough to lead the reader to believe that they might account for vandalism, arson and obscene inscriptions around a female-only institution.”[19]

Personifiziert wird dies durch die den Männern nicht sehr freundlich gesonnene Miss Hillyard, der Geschichtsprofessorin des Shrewsbury College. Sie glaubt nicht, daß Männer Frauen wegen ihres Intellekts schätzen könnten, sondern glaubt, daß Männer der Gesellschaft ihre Ansichten aufzwängen und daß sie jeglicher, aber besonders weiblicher Kritik unzugänglich wären.[20]

Aber nicht nur diese Einstellung charakterisiert Miss Hillyard. Sie verachtet auch verheiratete Frauen oder Frauen mit Kindern, die ihre Familien an Wichtigkeit der Arbeit voranstellen. Immer wieder kritisiert sie Mrs. Goodwin, die Sekretärin der Dekanin, weil sie wegen ihrer Kinder die Pflichten gegenüber dem College vernachlässigen würde. Miss Hillyard ist der Meinung, daß, wenn man seiner Arbeit nicht nachkommen kann, man diese aufgeben müsse, um anderen keinen Schaden zuzufügen.[21] Zunächst scheint es so, als ob Sayers sexuelle Frustration als Motiv verwenden wolle. Tatsächlich steht hinter den Verbrechen aber nicht die unterdrückte Weiblichkeit, sondern die hier bereits implizit angedeutete Einstellung zur Arbeit.

4.2  Dorothy L. Sayers und Feminismus

Feminismus spielt für Sayers eine eher untergeordnete Rolle. Sie begrüßt, daß Frauen endlich dieselben Bildungsmöglichkeiten haben wie Männer, verurteilt aber die Art des Feminismus, der fordere, daß Frauen sich wie Männer benehmen, nur aus dem Grund, weil Männer sich so benehmen. Sie möchte, daß Frauen sich so verhalten können, wie es ihrer Individualität entspricht. Frauen sollen nicht studieren, weil Männer studieren, sondern weil sie den Drang nach Wissen haben.

Deshalb sind die weiblichen Sympathieträger in ihren Romanen Frauen, die ihre Unabhängigkeit schätzen und ihre Rolle in der Gesellschaft nach bestem Wissen und Gewissen ausfüllen. So kommt es gar nicht darauf an, um welche Rolle es sich dabei handelt. Nur müssen sich die Frauen diese selbst gewählt haben. Für Sayers hat der Feminismus die Aufgabe, der einzelnen Frau als Individuum die gleiche Chance zu sichern wie jedem anderen Menschen. Das heißt, daß eine Bevorzugung nur unabhängig vom jeweiligen Geschlecht, ausschließlich aufgrund der Ausbildung, Erfahrung oder körperlichen Befähigung stattfinden darf. Die Qualifikation der individuellen Person ist entscheidend.

So schreibt Sayers in ihrem Essay “Are Women Human?”:

“‘What,’ men have asked distractedly from the beginning of time, ’what on earth do women want?’ I do not know that women, as women, want anything in particular, but as human beings they want, my good men, exactly what you want yourselves: interesting occupation, reasonable freedom for their pleasures, and a sufficient emotional outlet. What form the occupation, the pleasure and the the emotion may take, depends entirely on the individual.”[22]

4.2.1    Harriet Vane, Lord Peter Wimsey und die Emanzipation

Auch für Harriet Vane stellt sich in ihrer persönlichen Entwicklung die Frage, inwiefern sie der Rolle als Frau, die ihr von der Gesellschaft auferlegt worden ist, oder ihren eigenen Interessen, ihrer Karriere entsprechen soll. Sayers stellt fest:

“Now, it is frequently asserted that, with women, the job does not come first. What (people cry) are women doing with this liberty of theirs? What woman really prefers a job to a home and family? Very few, I admit. It is unfortunate that they should so often have to make the choice. A man does not, as a rule, have to choose. He gets both. In fact, if he wants a family, he usually has to take the job as well, if he can get it.”[23]

Harriet Vane glaubt, daß für sie der für Männer selbstverständliche Automatismus nicht besteht. Sie muß sich entscheiden, ob sie den Job oder den Mann nimmt, Intellekt oder Emotion.

Dorothy L. Sayers beschäftigt sich bereits in ihren ersten Romanen mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft. Zum Schwerpunktthema wird Emanzipation aber erst durch das Auftreten von Harriet Vane. Catherine Kenney schreibt zu diesem Thema:

“One of the more interesting questions implied in her early novels, namely, whether a woman can lay claim to a fully human life that includes work as well as love, pleasure as well as duty without being considered a freak, a monster, or a rebel, is finally answered in the Harriet Vane books. In fact, these four novels focus upon one woman´s struggle to integrate the essential human experiences of love, work, and play into one life.”[24]

Harriet Vane ist am Anfang von Gaudy Night in einem Zustand der Unentschlossenheit. Sie fühlt sich zwischen Intellekt und Emotion zerrissen, ein Konflikt, der ihre Rolle charakterisiert.[25] Sie sucht nach einem ruhenden Pol und ist unentschlossen, ob sie diesen auf emotionaler Ebene, bei Wimsey suchen soll, oder aber auf rationaler Ebene, in ihrer Arbeit. Harriet findet ihre Selbstbestätigung in ihrer Arbeit. Hier ist sie sich immer treu geblieben, hat sich von äußeren Umständen nicht ablenken lassen.

“Was there anything at all that had stood firm in the midst of her indecisions?

Well, yes; she had stuck to her work – and that in the face of what might have seemed over-whelming reasons for abandoning it and doing something different.”[26]

Harriet trifft während der Gaudy, einer Wiedersehensfeier, eine Frau, die zu ihrer Collegezeit eine brillante Studentin gewesen war, dann aber einen Farmer geheiratet hat.[27] Diese Frau, Catherine Bendick, geborene Freemantle, ist verbraucht und wirkt auf Harriet verschwendet. Zwischen den beiden entbrennt eine Diskussion über den Wert der Arbeit. Catherine Bendick empfindet den Unterschied zwischen sich selbst, die einer produktiven Arbeit, der Versorgung der Farm und Erziehung ihrer Kinder, nachgeht und den ehemaligen Kommilitoninnen, die auf die eine oder andere Art ihrer akademischen Laufbahn entsprechen, als unangenehm. Sie hält die Arbeit der anderen ehemaligen Studentinnen für Schaumschlägerei. Harriet drückt ihre Bewunderung gegenüber Catherine Bendick bezüglich ihrer Arbeitsleistung aus, hält die Grundeinstellung jedoch für falsch.

“‘Look here! I admire you like hell, but I believe you´re all wrong. I´m sure one should do one´s own job, however trivial, and not persuade one´s self into doing somebody else´s, however noble.’”[28]

Aus diesem Gespräch resultieren Harriets spätere Überlegungen, ob eine Symbiose zwischen Emotionen und Intellekt möglich ist und ob bei einer Beziehung zwischen Mann und Frau nicht immer eines von beiden nachgeben muß. Catherine Bendick dient als Beispiel für die zahlreichen Frauen, die auch noch in der Zeit nach dem Weltkrieg in das alte Verhaltensmuster verfallen sind, in den “Job” ihres Partners einzuheiraten oder ihre Karriere ganz der Familie zu opfern.[29]

Wenn Wimsey Harriet in Strong Poison seinen Heiratsantrag macht, begrüßt er ihre Bildung und schätzt ihre Arbeit. Wimsey wünscht sich eine intelligente Frau mit eigener Meinung, mit der er auch reden kann. Er braucht keine häusliche Frau, die kochen und nähen kann und sich um die Kinder kümmert. Wimsey sehnt sich nach einer Partnerin, die ihm ebenbürtig ist. Er freut sich auf gemeinsame Unterhaltungen, den Austausch über Literatur, Kunst und Politik. Er hofft, so der Langeweile zu entgehen. Wimsey nimmt an, daß auch er für Harriet ein gleichwertiger Partner sein kann, denn er will ihre Arbeit durch seine Erfahrungen fördern. Dadurch unterscheidet sich Wimsey von Boyes. Dieser hatte Ergebenheit von Harriet gefordert, die sie ihm, solange er zu seinen Prinzipien stand, auch geben konnte.

Auch in Gaudy Night zeigt sich Wimseys für damalige Zeiten tolerante und fortschrittliche Einstellung zur Gleichberechtigung der Frau. Danach gefragt, wie er über die höhere Bildung von Frauen an den Universitäten denkt, antwortet er:

“‘You should not imply that I have any right either to approve or disapprove.’”[30]

Lord Peter Wimsey wird so zum männlichen Mitstreiter für die Emanzipation der Frau.[31]

4.2.2    Intellektuelle Integrität als Basis für Gleichberechtigung

Die Dons am Shrewsbury College zeichnen sich durch ihre Integrität aus. Es handelt sich um verständnisvolle Frauen, die den Problemen ihrer Mitmenschen gegenüber aufgeschlossen sind, aber ihr oberstes Ziel ist die Wahrheit. So sind sie bereit, für die Familie ihres unehrenhaften Pförtners zu sorgen, prangern aber Fehler und Nachlässigkeit in den Arbeiten ihrer Kollegen unbarmherzig an. Personifiziert wird dieses durch Miss de Vine, ehemals Dekanin eines Colleges.

“As the Head of a woman´s college she must, thought Harriet, have had a distasteful task; for she looked as though the word ‘compromise’ had been omitted from her vocabulary; and all statesmanship is compromise. She would not be likely to tolerate any waverings of purpose or wooliness of judgement. If anything came between her and the service of truth, she would walk over it without rancour and without pity – even if it were her own reputation.”[32]

Das höchste zu erstrebende Gut ist intellektuelle Integrität. Diese Wertvorstellung wird auch für die Beziehung zwischen Harriet und Peter gegen Ende von Gaudy Night von Bedeutung sein.

Durch die Darstellung der verschiedenartigen Frauen am Shrewsbury College, die alle verschiedene Ansichten über ihre Rolle in der Gesellschaft haben, betont Dorothy L. Sayers ihren Standpunkt, daß “Frau sein” für jede Frau eine individuelle Bedeutung hat. Diese Erfahrung muß auch Harriet erst noch machen. Sie muß ihre eigenen Qualitäten erkennen und ihre eigenen Sehnsüchte leben.[33]

In Gaudy Night werden die Punkte zusammengefaßt, die für Dorothy L. Sayers im Zusammenhang mit Frauen am meisten Bedeutung zu haben scheinen:

  1. die höhere Bildung von Frauen und was sie damit machen, wenn sie die Universität verlassen,
  2. die Einstellung von Männern und Frauen gegenüber Frauen in gehobenen und leitenden Stellungen und
  3. Harriets Problem, wie eine Frau ihre Karriere mit der Ehe in Einklang bringen kann.[34]

In Harriets persönlichem Schicksal kann die Lösung für diese Probleme gefunden werden. Kenney schreibt hierzu:

“Harriet Vane´s search for a relationship based upon equality, honesty, and mutual respect is the compelling story of achieving a precarious, hard-won balance between opposing forces that goes beyond the simple solution of a detective story. And it is the story that Dorothy L. Sayers was born to write.”[35]

3. Die Romanze im Detektivroman: Harriet Vane

5. Die Metamorphose des Lord Peter Wimsey.


[1]       Vgl. Heta Pyrhönen: Murder from an Academic Angle: An Introduction to the Study of the Detective Narrative, S. 110, Columbia: Camden House, 1994

[2]       Vgl. Dorothy L. Sayers: “Are Women Human?” S.108 in: Unpopular Opinions, S. 106-116 London: Gollancz, 1946

[3]       Vgl. Terrance L. Lewis: Dorothy L. Sayers´ Wimsey and Interwar British Society, S. 57

         Lewiston, Queenston,Lampeter: Edwin Mellen Press, 1994

[4]       Somerville College, das College an dem Dorothy L. Sayers studierte, wurde 1879 gegründet.

[5]       Allerdings bekam auch sie diesen Titel erst 1920 verliehen, fünf Jahre nachdem sie ihr Studium in Oxford beendet hatte.(Vgl. Brunsdale, S. 212)

[6]       Vgl. Gaudy Night, S. 71: Die Berichterstattung in der Presse nach einem Zwischenfall in Shrewsbury College. Vgl. auch Lewis, S. 73

[7]       Dorothy L. Sayers: The Unpleasantness at the Bellona Club, Erstveröffentlichung: London: Benn, 1928

[8]       Dorothy L. Sayers: Clouds of Witness, Erstveröffentlichung: London: Fisher Unwin, 1926

[9]       Vgl. Strong Poison, S. 173

[10]      Unnatural Death, S. 34

[11]      Catherine Kenney: The Remarkable Case Of Dorothy L.Sayers, S. 132f., Kent,Ohio: Kent State University Press, 1990. Kenney bezieht sich auf Nina Auerbach: Communities of Women An Idea in Fiction, Cambridge Harvard University Press, 1978

[12]      Strong Poison, Kapitel 17 und 18

[13]      Kenney, S. 159

[14]      Brabazon, S. 128

[15]      Vgl. Dawson Gaillard: Dorothy L. Sayers, S. 52, New York: Ungar Publishing, 1981

[16]      Vgl. Carolyn G. Hart: “Gaudy Night, Quintessential Sayers”, S. 48, in: Dorothy L. Sayers, The Centenary Celebration, S. 45-50, Herausgeberin: Alzina Stone Dale, New York: Walker, 1993; vgl. auch: Pyrhönen, S. 108

[17]      Gaudy Night, S. 250

[18]      Das College wird von Frauen für Frauen betrieben. Außer dem Pförtner haben nachts keine Männer Zutritt.

[19]      Merry, S. 27

[20]      Vgl. Gaudy Night, S. 54

[21]      Ibid, S. 219

[22]      “Are Women Human?”, S.114

[23]      Ibid, S. 110

[24]      Kenney, S. 156

[25]      Vgl. Klein, S 28

[26]      Gaudy Night, S. 39

[27]      Vgl. ibid, S.46 ff.

[28]      Ibid, S. 48

[29]      Vgl. Lewis, S. 73

[30]      Gaudy Night, S. 314

[31]      Vgl. Hart, S. 48

[32]      Gaudy Night, S. 22

[33]      Vgl. Kenney, S. 164

[34]      Vgl. Pannek, S. 107

[35]      Kenney, S. 157

2. Die klassische Detektivgeschichte

Die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ist für die Detektivgeschichte in Großbritannien die Goldene Ära.[1] Die Detektivgeschichte hat sich nach Edgar Allen Poes Beispiel zu einer Literaturgattung entwickelt, die festen Regeln unterliegt.

In seinen fünf Kurzgeschichten, die sich dem Genre Detektivgeschichte zuordnen lassen, nämlich The Murders in the Rue Morgue (1841), The Mystery of Marie Rogêt (1842-43), The Purloined Letter (1845), The Gold Bug (1843)und Thou Art The Man (1844),[2]hat Poe den Rahmen für die Detektivgeschichte festgelegt.[3] In diesen fünf Geschichten kommen bereits die meisten der späteren festen Themen vor, die für lange Zeit bestimmend für die Detektivgeschichte sein werden.[4] In The Murders in the Rue Morgue haben wir es mit einem locked-room-mystery zu tun, wo ein Mord in einem scheinbar vom Mörder nicht zu verlassendem Raum verübt wird. In The Mystery of Marie Rogêt finden wir den intellektuellen Detektiv, der sich nur auf seine mentalen Fähigkeiten verläßt und das Verbrechen aufklärt, ohne seinen Sessel zu verlassen. The Purloined Letter kommt durch seinen Schauplatz einer Agentengeschichte nahe und behandelt das Problem, daß das Offensichtliche am ehesten übersehen wird. Diese drei Geschichten stellen denselben Helden vor, den Amateurdetektiv Auguste Dupin, der schlauer ist als die Polizei. Der namenlose Erzähler der Geschichten ist das Modell des späteren Watson-Charakters von Sir Arthur Conan Doyle, der in so vielen Varianten als Freund, Helfer und Chronist des Detektivs in Erscheinung treten sollte.

In The Gold Bug begibt sich der Held mit Hilfe einer chiffrierten Karte auf Schatzsuche und in Thou Art The Man ist der am wenigsten Verdächtigte der Schuldige.

Im Jahre 1928 haben S.S. Van Dine mit Twenty Rules for Writing Detective Stories[5] und Ronald A. Knox mit A Detective Story Decalogue[6] ein Regelwerk geschaffen, das die Limitierungen dieses Genres beschrieb. Diese Regeln beinhalten Punkte wie: der Leser muß jederzeit die gleiche Einsicht in die Beweise haben wie der Detektiv, von Lösungen, die Zauberei, Hellseherei oder weibliche Intuition benutzen, ist Abstand zu nehmen. Diese fair-play-rules sollen für Fairneß gegenüber dem Leser sorgen. Sie sollen es ihm ermöglichen, eigenständig mit den ihm gelieferten Informationen die Identität des Täters zu entschlüsseln. Weiterhin sind aber auch Regeln zu finden, die einer Entwicklung der Detektivgeschichte im Wege stehen, wie: eine Detektivgeschichte darf keine Liebesgeschichte enthalten, oder: der Detektiv darf nie der Mörder sein.

“There must be no love interest. The business in hand is to bring a criminal to the bar of justice, not to bring a lovelorn couple to the hymeneal altar.”[7]

Diese Regeln sollten die Qualität der Detektivgeschichte sichern, die durch die immense Anzahl von Autoren und Veröffentlichungen gefährdet war, und sie sollten den Unterschied zwischen der Detektivgeschichte als Literatur und den Detektivgeschichten als Konsumgut in den Groschenromanen verdeutlichen.

Sie bedeuteten allerdings auch, daß sich die Detektivgeschichte dadurch in einem engen Rahmen bewegen mußte. Sie wurde zu einem reinen Gedankenspiel, in dem es nur darauf ankam, gleiche Inhalte in immer wieder neue Verpackungen zu bringen. Daraus resultierte eine für den Detektiv typische Distanziertheit. Der Detektiv konzentriert sich auf die Lösung eines Mysteriums, wird aber nicht mit dem menschlichen Leid und den Emotionen seiner Mitstreiter oder Gegenspieler verbunden.
Kathleen Gregory Klein beschreibt den Rätselspiel-Charakter des Detektivromans so:

“The classic detective story, at its peak in the years between the two world wars, has several distinct and unchallenged characteristics, most importantly it is a puzzle or an intellectual game – with heavy emphasis laid on game, where minimal attention is paid to physical sufferings of the victim or even the probable fate of the murderer.”[8]

Die Detektive in dieser Zeit ähneln sich sehr. Es gibt nur wenige unterschiedliche Kategorien. So gibt es den wissenschaftlich arbeitenden Sherlock Holmes-Typus des Privatdetektivs mit seinem naiven Partner; den Typus der Denkmaschine, der ohne physische Aktivität nur mit Hilfe seiner mentalen Fähigkeiten zur Lösung kommt; den Miss-Marple-Typ der alten Dame, in der Regel unverheiratet, die durch Beobachtung in ihrem Alltag Einblicke in die menschliche Psyche gewonnen hat und so Verbrechen aufklärt; und es gibt den Typ des wohlhabenden, gebildeten, ebenfalls unverheirateten, durchtrainierten Mannes, der als Amateurdetektiv immer schlauer ist als die Polizei. Allen gemeinsam ist jedoch, daß sie als Beschützer der Schwachen und ungerecht Beschuldigten die Nachfolge der mythischen Helden und mittelalterlichen Ritter antreten.[9]

Zu dem Typ des reichen Lebemannes, der als Amateurdetektiv fungiert, gehört auch Philip Trent aus E. C. Bentleys Trent´s Last Case.[10] E. C. Bentley schuf seinen Helden, um sich über eben diesen Typus lustig zu machen.[11] So irrt Trent sich auch bei der Lösung seines Falles.

Die Figur des Philip Trent wurde allerdings beim Leser so beliebt, daß Bentley weitere, chronologisch vorher angesiedelte Fälle seines Protagonisten veröffentlichte. Diese Popularität erklärt sich aus der humorvollen Darstellung des Helden und der Verknüpfung der Detektivgeschichte mit einer Romanze.

Trents Vorbild beeinflußte Dorothy L. Sayers bei der Schaffung ihres Helden, Lord Peter Wimsey.

2.1  Lord Peter Wimsey: ein gattungskonformer Detektiv?

Lord Peter Wimsey ist der 1890 geborene, jüngere Sohn des Dukes of Denver.[12] Er hat eine Ausbildung am Balliol College in Oxford genossen und sein Studium der Geschichte mit Auszeichnung abgeschlossen. Während seines Studiums entwickelte er sich zum Athleten und hervorragenden Cricketspieler. Er beherrscht mehrere Sprachen. Während des letzten Jahres des Ersten Weltkrieges wird er bei einem Bombenangriff verschüttet, was nach Kriegsende häufige, später nur noch in Streßsituationen auftretende Nervenzusammenbrüche – shell-shocks – zur Folge hat. In diesen Situationen steht ihm sein ehemaliger Sergeant und jetziger Diener Mervyn Bunter zur Seite.

Lord Peters Äußeres ist eine Persiflage auf den britischen Adel. Er ist schmal, hat ein fliehendes Kinn und ist dank Bunter immer korrekt gekleidet Er sammelt Bücher, vorzugsweise Erstausgaben und liebt die Musik von Bach. Nach einer unglücklichen Liebesbeziehung wendet er sich zur Ablenkung der Aufklärung mysteriöser Verbrechen zu, was für ihn zu einem Hobby wird.

Dorothy L. Sayers’ Entscheidung, einen Angehörigen des Adels zum Helden zu wählen, wird von Jessica Mann wie folgt kommentiert:

“(H)er readers would have accepted without question that Lord Peter had easier access to police and witnesses than Mr. Wimsey would have done.(…) Even if Sayers had known how much other writers and critics would dislike a rich lord, she must have realised that the title and the money would make an amateur detective much more plausible. It spared her having to invent a reason for his being able to find the time to poke his nose into other people´s affairs because he did not theoretically have to be elsewhere earning his living.”[13]

Auch Margaret P. Hannay führt Dorothy L. Sayers’ Beweggründe an, aus denen heraus sie Lord Peter mit den ihm eigenen Attributen ausgestattet hat.[14]

“1.    The detective must be in a position to be brought into crimes and enabled to work with the police. (Lord Peter develops a close friendship with Inspector Parker.)

2.      He must be able to drop everything at a moment and go off somewhere to investigate the crime. (Lord Peter has no professional obligations which would keep him in an office from nine to five, for example.)

3.      He must be able ‘to tackle anything from a subtle poisoning to an elaborate alibi produced by mechanical means’ if he is to be the hero of a series of books. One cannot always have the solution to the mystery depend upon poisoning if there is to be any suspense. Nor can the detective waste valuable space running around seeking expert opinions on every detail. (Lord Peter is notoriously versatile.)

4.      He must have the physical equipment to be able to cope with violent criminals. (Since guns are considered rather vulgar for English detectives, Lord Peter must have physical strength. As his creator has made him rather short, he is agile, surprisingly strong for his size, and knows karate or its equivalent.)

5.      He ‘must be leisured and rich’ (italics hers). (Lord Peter cannot be deterred by such minor considerations as the cost of chartering a plane to cross the atlantic, or the months he must disappear as Lord Peter if he is to maintain the character of Death Bredon.)

6.      If he is to figure in a series of books, he should not be too old to start with, he should have some loose ends hanging out to be developed later, and his character should evolve gradually.”[15]

Auf diese Art ist der Held mit dem nötigen Rüstzeug versehen, das es ihm nicht nur ermöglicht, als Detektiv tätig zu werden, sondern welches auch notwendig ist, um diese Tätigkeit in den Augen der zweifelnden Leser akzeptabel zu machen.

Von Lord Peter Wimseys Umgebung und Bekanntenkreis erfahren wir in Whose Body? nur wenig. Schon früh wird Lord Peters Mutter, die Dowager Duchess of Denver, vorgestellt. Auch sie stellt eine Persiflage der Aristokratie dar. Dorothy L. Sayers gibt ihr neben einem Hang zur weitschweifigen Konversation ein außerordentliches Maß an Arroganz mit. So äußert sich die Dowager Duchess bei einer gerichtlichen Untersuchung über die Jury:

“‘(…) those fourteen people – and what unfinished-looking faces they have – so characteristic, I always think, of people of the lower middle class, rather like sheep, or calves´head (boiled I mean), (…)’”[16]

So bekennt sie auch Bewunderung gegenüber dem Zeugen Thipps, dem Architekten und Mitglied der Mittelschicht, als dieser ritterliches Verhalten an den Tag legt, indem er sich weigert, einen Freund zu verraten.[17] Das kriminalistische Hobby ihres Sohnes billigt sie zwar stillschweigend und tritt auch mit Fällen an ihn heran, behält sich aber vor, es offiziell zu ignorieren.[18]

Eine weitere Person aus Lord Peters Bekanntenkreis, die wir bereits in diesem ersten Roman kennenlernen, ist the Honourable Freddy Arbuthnot. Dieser ist das realistische Gegenbild der Rolle, derer sich Lord Peter so gern befleißigt, nämlich der aristokratische Snob, der außer durch sein instinktives Handeln an der Börse keinerlei gesellschaftliche Signifikanz besitzt.[19]

Wimseys eigentlicher Partner ist jedoch Mervyn Bunter, sein Freund und Butler. Bunter war im Krieg Sergeant, als Lord Peter und er sich während einer gefährlichen Situation kennen und schätzen lernten. Nach dem Krieg folgt Bunter dem Angebot Lord Peters, in dessen Dienste zu treten. Er hilft ihm, über die nach dem Krieg häufig auftretenden Nervenzusammenbrüche hinwegzukommen.[20] Auch er begeistert sich für das Hobby seines Lords und steht ihm sowohl als technische Hilfe, besonders im Bereich der Photographie und Spurensicherung,[21] als auch gelegentlich als Spion im Kreise der Dienerschaft eines Verdächtigten zur Verfügung. Bunter ist Lord Peter treu ergeben. Diese Ergebenheit wird von diesem durch unbedingtes Vertrauen erwidert, so weit, daß er sich schon in eine Form der Abhängigkeit begibt. In Whose Body? erfahren wir von dieser Beziehung nur ansatzweise.

Das Thema der Nervenzusammenbrüche Lord Peter Wimseys ist sehr beachtenswert. Es drückt die Verletzlichkeit des Helden aus. Diese Nerven­zusammen­brüche treten immer dann auf, wenn Lord Peter schwerwiegende Entscheidungen in Hinsicht auf das Schicksal anderer Personen treffen muß, das heißt, wenn er entscheiden muß, ob er es verantworten kann, einen Mörder dem Gesetz zu übergeben. Da das zu dieser Zeit den Tod durch Erhängen nach sich zog, muß Lord Peter über Leben oder unehrenhaften Tod der entsprechenden Person, – natürlich die Unfehlbarkeit des Detektivs vorausgesetzt -, entscheiden. In Whose Body? erleidet Lord Peter Wimsey einen Nervenzusammenbruch in direktem Zusammenhang mit der Erkenntnis der Lösung des Verbrechens.[22] Er fühlt sich in die Schrecken des Krieges zurückversetzt, und nur Bunter, der diese Zeit wie er durchlitten hat, kann ihm in dieser Situation den nötigen Beistand geben. Die Nervenzusammenbrüche sind auch Ausdruck für das Gewissen Lord Peter Wimseys. Obwohl das Moment des Gewissens bereits im ersten Lord-Peter-Wimsey-Abenteuer eingeführt wird, kommt ihm erst in Sayers’ letzten Romanen inhaltliche Tragweite zu. Am Ende von Whose Body? wird die Ergreifung des Schuldigen gefeiert und es ist nicht im entferntesten die Rede von der Verantwortung des Detektivs gegenüber dem Verbrecher.

Dorothy L. Sayers führt das Moment des Gewissens im Dialog zwischen Lord Peter und Charles Parker, Wimseys Freund bei Scotland Yard, ein. Letzterer hat zu diesem Punkt eine professionelle Meinung, schließlich ist er Berufspolizist. Für Wimsey stellt sich die Situation jedoch anders dar. Für ihn ist die Kriminalistik ein Hobby, ein Spiel. Kann er als Konsequenz eines Spieles den Tod eines Menschen verantworten?

“‘That ´s what I´m ashamed of, really,’said Lord Peter. ‘It is a game to me, to begin with, and I go on cheerfully, and then I suddenly see that somebody is going to be hurt, and I want to get out of it.’”[23]

Parker weist Lord Peter zurecht. Er erklärt ihm, daß er eine Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft habe, den “Job” zu tun, für den er die Begabung besitze. Wenn Wimsey die Begabung hat, Verbrechen aufzuklären, dann muß er genau das tun. Jagt er Verbrecher, muß er auch zu den Konsequenzen stehen.

“‘If you´ve any duty to society in the way of finding out the truth about murders, you must do it in any attitude that comes handy. You want to be elegant and detached? That´s all right, if you find the truth out that way, but it hasn´t any value in itself, you know. You want to look dignified and consistent – what´s that got to do with it? You want to hunt down a murderer for the sport of the thing and then shake hands with him and say, “Well played – hard luck – you shall have your revenge tomorrow!” Well, you can´t do it like that. Life´s not a football match. You want to be a sportsman. You can´t be a sportsman. You are a responsible person.’”[24]

Nichtsdestotrotz bleibt Lord Peter Wimsey Amateur. Sich auf seinen Amateurstatus berufend, macht er sich auf, dem Mörder, den Sayers als ein angesehenes und wertvolles Mitglied der Gesellschaft darstellt, zu zeigen, daß er weiß, wer der Mörder ist und ihm so die Möglichkeit eines ehrenvollen Abganges, also Selbstmord zu ermöglichen.[25]

2.2  Wimseys humoreske Vorgehensweise

In Whose Body?, Dorothy L. Sayers’ erstem Detektivroman, wird uns Lord Peter Wimsey bei einer Taxifahrt auf dem Weg zu einer Versteigerung von Erstausgaben vorgestellt. Die ersten Worte, sowohl des Romans als auch die des dazugehörigen Helden sind: “‘Oh damn’”, ein erster Hinweis auf seine Unkonventionalität.

In diesem Roman befaßt sich Lord Peter Wimsey mit der Aufklärung gleich zweier Verbrechen: Dem Mord an der nur mit einem Kneifer bekleideten Leiche, die in Thipps Badezimmer aufgefunden wurde und mit dem mysteriösen Verschwinden des Geschäftsmannes Sir Reuben Levy.

Die erste Beschreibung, die wir von Wimsey erhalten, ist nicht sehr schmeichelhaft:

“His long amiable face looked as if it had generated spontaneously from his top hat, as white maggots breed from Gorgonzola.”[26]

Lord Peter hat den Ausstellungskatalog vergessen und muß deshalb zu seiner Wohnung zurückkehren, wo Bunter gerade mit Peters Mutter telefoniert. Diese berichtet Wimsey von der Leiche im Badezimmer des Architekten Thipps und bittet ihn, Thipps zur Seite zu stehen. Peter zeigt sich recht unbewegt, höchstens erfreut, daß ihm eine Abwechslung ins Haus steht. Er schickt Bunter zur Versteigerung. Er erklärt ihm genau, welche Ausgabe er warum und zu welchem Preis ersteigern soll. Bei dieser Gelegenheit zeigt uns Dorothy L. Sayers Wimseys Fachkenntnis zum Thema der Erstausgaben.

Peters einzige Besorgnis ist, ob er dem Anlaß, also dem Besuch bei Thipps, entsprechend gekleidet ist und er entscheidet sich, sich umzuziehen.

“‘Exit the amateur of first editions; new motive introduced by solo bassoon; enter Sherlock Holmes disguised as a walking gentleman.’”[27]

Bei Thipps angekommen begutachtet Lord Peter den Tatort. In seinem Verhalten zeigt er eine verblüffende Unbekümmertheit. Der Dialog zwischen Thipps und ihm gleicht mehr dem Small Talk bei einer Cocktailparty als einem Gespräch im Angesicht einer Leiche. So drückt Lord Peter seine Teilnahme an dem Schock, der das Auffinden der Leiche für den Architekten dargestellt haben muß, auf unvermutete Weise aus.

“‘I´m sure it must have been uncommonly distressin´,’ said Lord Peter, sympathetically, “especially comin´ like that before breakfast. Hate anything tiresome happenin´ before breakfast. Takes a man at such a confounded disadvantage, what?’”[28]

Lord Peter Wimsey betrachtet die Aufklärung von Verbrechen, zumindest in diesem frühen Stadium, als Spiel, als sein persönliches Steckenpferd. Das wird besonders deutlich, wenn er seine Freude über die Ablenkung in Form einer Leiche gegenüber seinem Freund Charles Parker von Scotland Yard zum Ausdruck bringt.

Er singt:

“‘We both have got a body in a bath,

We both have got a body in a bath-

For in spite of all temptations

To go in for cheap sensations

We insist upon a body in a bath-’”[29]

Charles Parker, Lord Peters Partner in diesem Fall, ist der Kontrapunkt zu dem Superhelden Wimsey. Er ist der Profi, seine Untersuchungsmethoden sind viel gründlicher, er ist zweifelnder und behutsamer in seiner Vorgehensweise als Wimsey. Parker geht, wie man es von einem Berufspolizisten erwartet, jedem Hinweis nach. Charles Parker gehört zur Mittelschicht, seine Verhältnisse sind, im Vergleich zu Wimseys, einfach zu nennen. Er entspricht weder Inspector Lestrade noch Watson bei Sir Arthur Conan Doyle. Parker ist eine respektable Persönlichkeit mit Kompetenz. Die einzige Eigenschaft, die er mit Watson oder auch mit Agatha Christies Cornel Hastings, dem Partner von Hercule Poirot, gemein hat, ist, daß er seine Schlüsse langsamer zieht. Dies dient dem Autoren dazu, dem Leser einzelne Beweisstücke hervorzuheben, um die Gedankengänge des Helden im Dialog verdeutlichen zu können. Außerdem wird dadurch die Brillanz des Helden betont.

Die Watson-Figur des etwas naiveren Partners hat weiterhin die Aufgabe dem Leser zu schmeicheln. Indem dem Partner die offensichtlichen Erklärungen geliefert werden, fühlt sich der Leser ihm überlegen. Er kann sich sagen: “Wenn ich schon nicht so clever bin wie der Held, so bin ich doch wenigstens nicht so dumm wie Watson.”[30]

Lord Peter Wimsey besitzt auch einige Hilfsmittel, die für einen Superdetektiv unerläßlich sind. Diese werden uns im Dialog mit Parker vorgestellt.[31] Sein Monokel ist nicht nur Attribut eines Snobs, sondern ein starkes Vergrößerungsglas, sein in Zoll markierter Spazierstock hat als Knauf einen Kompaß und einen Degen im Inneren. Seine als Streichholzschachtel getarnte Minitaschenlampe hatte er bereits zuvor bei der Begutachtung der Leiche im Einsatz.[32]

Lord Peters Vorgehensweise ist, wenn er sie Dritten vorführt, rational wissenschaftlich strukturiert. So begleitet er die Thesen bezüglich eines Verdächtigen in einem Gespräch mit Parker mit folgendem Satz:

“‘Following the methods inculcated at that University of which I have the honour to be a member of, we will now examine severally the various suggestions afforded by possibilty No. 2. This Possibility may be again sub-divided into two or more Hypotheses.’”[33]

Die Lösung des Problems zeigt sich ihm jedoch nicht als Folge dieses wissenschaftlich anmutenden Verfahrens, sondern in Form einer plötzlichen Erleuchtung. Er klärt nicht nach und nach Teile des Mysteriums, sondern die Lösung steht als Ganzes plötzlich vor ihm.

“And then it happened – the thing he had been half-unconsciously expecting. It happened suddenly, surely as unmistakably, as sunrise. He remembered – not one thing, not another thing, nor a logical succession of things, but everything – the whole thing, perfect, complete, in all its dimensions as it were and instantaneously; as if he stood outside the world and saw it suspended in infinitely dimensional space. He no longer needed to reason about it. He knew it.”[34]

Diese Form der Erkenntnis gibt dem Helden etwas Übernatürliches, hebt ihn ab von der gemeinen Masse – und kontrastiert ihn natürlich in besonderem Maße zu Parker.

Das typischste Merkmal des Lord Peter Wimsey ist seine Angewohnheit, den dummen, naiven Adligen zu spielen. Diese Pose dient ihm als Tarnung wie Harriet Vane, seine spätere Partnerin, in Gaudy Night, erklärt:

“‘I met him [Lord Peter Wimsey] once at a dog show,’ put in Miss Armstrong unexpectedly. ‘He was giving a perfect imitation of the silly-ass-about-town.’
‘Then he was either frightfully bored or detecting something,’ said Harriet laughing.’ I know that frivolous mood, and it´s mostly camouflage – but one doesn´t always know for what.’”[35]

Der Effekt, der mit dieser Tarnung erreicht werden soll, ist zum einen Lord Peters Gegenspieler in Sicherheit zu wiegen und ihm so die Möglichkeit zu geben, Fragen zu stellen, die einem ernstzunehmenden Interviewer nicht beantwortet werden würden. Zum anderen macht Dorothy L. Sayers damit Lord Peter Wimsey zum Sympathieträger, da diese Maskerade seine humorvolle Seite zum Ausdruck bringt.

In einer Szene in Whose Body? geht es um die Befragung der Mitbewohner des Hauses, in dem die Leiche gefunden wurde. Lord Peter trifft auf das Ehepaar Appledore, das ihm wenig Höflichkeit entgegenbringt und ihn sogar persönlich angreift. Mrs. Appledore steht ihm im Nachtgewand gegenüber und beleidigt ihn, woraufhin Lord Peter in einen Redeschwall ausbricht, der gespickt ist mit Ironie und den er selbst als impertinent bezeichnet.

“‘This is Lord Peter Wimsey, my dear,’ said [Mr. Appledore] mildly.[Mrs. Appledore] was unimpressed.

‘Ah, yes’, she said, ‘I believe you are distantly related to my late cousin, the Bishop of Carisbrooke. Poor man! He was always taken by impostors; he died without learning any better. I imagine you take after him, Lord Peter.’

‘I doubt it,’ said Lord Peter. ‘So far as I know he is only a connection, though it´s a wise child that knows its own father. I congratulate you, dear lady, on takin´ after the other side of the family. You´ll forgive my buttin´ in upon you like this in the middle of the night, though, as you say, it´s all in the family, and I´m sure I´m very much obliged to you, and for permittin´ me to admire that awfully fetchin´ thing you´ve got on. Now, don´t you worry, Mr. Appledore. I´m thinkin´ the best thing I can do is to trundle the old lady [die Mutter des Architekten, in dessen Wohnung die Leiche gefunden wurde] down to my mother and take her out of your way, otherwise you might be findin´ your Christian feelin´s getting the better of you some fine day, and there´s nothin´ like Christian feelin´s for upsettin´ a man´s domestic comfort. Good-night, sir – good-night, dear lady – it´s simply rippin´ of you to let me drop in like this.’

‘Well !’ said Mrs. Appledore, as the door closed behind him. ‘And -’

 ‘I thank the goodness and the grace
That on my birth have smiled.’

said Lord Peter, ‘and taught me to be beastly impertinent when I choose. Cat!’”[36]

Auffallend sind hier noch zwei weitere Dinge.

Erstens Lord Peters Angewohnheit, bei dieser Art Vorstellung die “g”-s am Ende zu vernachlässigen, und zweitens seine Eigenart, Literatur zu zitieren. Damit folgt Dorothy L. Sayers dem Vorbild einer anderen sehr populären Gestalt der Detektivliteratur, nämlich P. G. Wodehouse’ Bertie Wooster, der mit seinem Butler Jeeves in ähnlicher Manier Kriminalfälle löst.[37] Dieses Zitieren wird von Sayers immer dann verwendet, wenn entweder Lord Peters Intelligenz hervorgehoben werden soll, oder er in Gedanken versunken seine Umwelt vergißt. Dies passiert in einem Hotel, als er über den vermeintlichen Mörder nachdenkt.

“‘“He´s tough, sir, tough, is old Joey Bagstock, tough and devilish sly.”’ he added thoughtlessly.

‘Indeed, sir?’ said the waiter. ‘I couldn´t say, I´m sure.’

‘I beg your pardon,’ said Lord Peter. ‘I was quoting poetry. Very silly of me. I got the habit on my mother´s knee and I can´t break myself of it.’”[38]

Diese Angewohnheit teilt er mit Dorothy L. Sayers. Am Anfang der Lord-Peter-Wimsey-Romane ist diese Art des Zitierens noch verhältnismäßig selten, verstärkt sich aber im Verlaufe der folgenden Romane und kulminiert in einem wahren Wettstreit zwischen Lord Peter Wimsey und dem ermittelnden Polizisten Superintendent Kirk in Busman´s Honeymoon.[39]

Dorothy L. Sayers hat die Figur des Lord Peter Wimsey bereits in ihrem ersten Buch einer Reihe von Charaktereigenschaften ausgestattet. Diese sind jedoch noch rudimentär und entsprechen weitestgehend dem gängigen Klischee. Insbesondere sein physisches Erscheinungsbild und seine Intelligenz reihen ihn in die Gruppe der Superdetektive ein. Diesem Charakterbild folgte Dorothy L. Sayers in einer Reihe von Lord-Peter-Wimsey-Abenteuern. Mit ihrem Roman Strong Poison sollten sich aber Entwicklungen auftun, die sie selbst nicht ahnen konnte und die den Beginn einer Metamorphose des Helden darstellten.

Kapitel 1: Einleitung: Dorothy L. Sayers und ihre Helden

3. Die Romanze im Detektivroman: Harriet Vane


[1]       A.E. Murch: The Development of the Detective Novel, S. 218-244, Kap.XII, “The Golden Age”,Überarbeitete Ausgabe London: Owen, 1968

[2]       Alle fünf sind zu finden in: Edgar Allen Poe: Tales of Mystery and Imagination,Neuauflage: London: Everyman´s Library, 1968

[3]       Murch, S. 77

[4]       Vgl. Dorothy L. Sayers: “The Omnibus of Crime”, S.80 ff. in: The Art of the Mystery Story, S. 71-109, Herausgeber: Howard Haycraft, New York: Simon and Schuster, 1946, Erstveröffentlichung als Einleitung zu der Anthologie: Great  Short Stories of Detection, Mystery, and Horror, London 1928

[5]       S.S. Van Dine: “Twenty Rules for Writing Detective Stories”, in: The Art of the Mystery Story, S. 189-193, Herausgeber: Howard Haycraft, New York: Simon and Schuster, 1946

[6]       Ronald A. Knox: “A Detective Story Decalogue”, in: The Art of the Mystery Story, S. 194-197, Herausgeber: Howard Haycraft, New York: Simon and Schuster, 1946

[7]       Van Dine, S. 189f.

[8]       Kathleen Gregory Klein: “Dorothy Sayers”, S. 10 in: 10 Women of Mystery, S. 10-39, Herausgeber: Earl F. Bargainnier Bowling Green, Ohio: State University Popular Press, 1981

[9]       Vgl. “The Omnibus of Crime”, S. 76

[10]      E. C. Bentley:  Trent´s Last Case, London, 1913

[11]      Vgl. LeRoy Pannek: Watteau´s Shepherds: The Detective Novel in Britain 1914-1940, S. 29-37, Bowling Green, Ohio: State University Popular Press, 1979

[12]      Biographische Informationen des Lord Peter Wimsey wurden von Dorothy L. Sayers 1935 durch seinen fiktiven Onkel Paul Austin Delagardie geliefert und sind im Anhang der meisten der heutigen Ausgaben der Lord-Peter-Wimsey-Romane zu finden.

[13]      Jessica Mann: Deadlier than the Male, An Investigation into Feminine Crime Writing, S. 82 Newton Abbot: David and Charles, 1981

[14]      Margaret P. Hannay: “Harriet´s Influence on the Characterization of Lord Peter Wimsey”, in: As Her Wimsey Took Her, Critical Essays of Dorothy L. Sayers, S. 36-50, Heraus­geberin: Maragaret P. Hannay ,Kent, Ohio: The Kent State University Press, 1979. Sie bezieht sich dabei auf einen unveröffentlichten Artikel Sayers’: “The Craft of Fiction”

[15]      Hannay, S.37

         Der Name des Death Bredon: vgl. Dorothy L. Sayers, Murder Must Advertise, 1933

[16]      Whose Body?, S. 92

[17]      Vgl. ibid, S. 93

[18]      Vgl. ibid,  S. 11

[19]      Vgl. ibid, S. 60-63

[20]      Vgl.ibid, S. 132 f. und Busman´s Honeymoon, Epithalamion

[21]      Vgl. Whose Body?, S. 51ff.

[22]      Vgl. ibid, S. 132

[23]      Ibid, S. 123

[24]      Ibid, S. 123f.

[25]      Vgl. ibid, S. 164-172

[26]      Whose Body?, S. 9

[27]      Ibid, S. 12

[28]      Ibid, S. 14

[29]      Ibid, S. 23, Kursivschrift von Sayers

[30]      Vgl. The Omnibus of Crime, S. 77

[31]      Whose Body?, S. 32

[32]      Ibid, S. 18

[33]      Ibid, S. 77

[34]      Ibid, S. 129

[35]      Gaudy Night, S. 35

[36]      Whose Body?, S. 42f.

[37]      Vgl. Mitzi Brunsdale: Dorothy L. Sayers, Solving the Mystery of Wickedness, S. 88, New York: Berg, 1990

[38]      Whose Body?, S. 84

[39]      Vgl. Dorothy L. Sayers: Busman´s Honeymoon, S. 131f.  London: Hodder and Stoughton, 1974, Erstveröffentlichung: London 1937

1. Einleitung: Dorothy L. Sayers und ihre Helden

Würde man Dorothy L. Sayers’ Wunsch berücksichtigen, für einen Zeitraum von fünfzig Jahren nach ihrem Tod nichts über sie zu schreiben, dürfte auch diese Arbeit nicht geschrieben werden. Denn eine Abhandlung über Lord Peter Wimsey und Harriet Vane muß zwangsläufig ein Werk über Dorothy L. Sayers sein. Zu sehr tragen diese Kreationen den Stempel ihrer Schöpferin. Lord Peter Wimsey, der aus einer Laune heraus, während eines Spiels geboren wurde,[1] war gedacht als Geldquelle und wurde zum Lebensgefährten. Für Sayers war er oft realer als die Realität. Lord Peter ist amüsant, ein wenig geschwätzig, ein Lebemann, ein bißchen ein Playboy – und er ist Amateurdetektiv. So kann er, von kleineren Problemen abgesehen, wunderbar leben und mit sich zufrieden sein. Doch dann tritt eine Frau in sein Leben, die ihn völlig verändern soll. Es werden Schwächen offenbar, Wimsey bekommt Emotionen und Verantwortung. Er zeigt Nerven.

Wie kann es zu einer solchen Wandlung kommen? Wer ist diese Frau?

Harriet Vane wurde geschaffen, damit sich Dorothy L. Sayers von ihrem Helden trennen konnte. Nach dem Eid, den sie vor dem Detection Club abgelegt hatte,[2] durfte sie in ihren Detektivromanen keine Romanzen dulden. Aber ihre Protagonisten besitzen genug Eigenleben, um sich dagegen zu wehren, so verabschiedet zu werden. Da Sayers bemüht ist, realistische Personen mit lebensnahen Handlungen darzustellen, befindet sie sich in einem Dilemma: Soll sie unglaubwürdig werden, indem sie ihre Protagonisten unwahrscheinliche Aktionen ausführen läßt, oder soll sie ihre Helden so umgestalten, daß ihnen die gewünschte Reaktion möglich wird? Sayers entscheidet sich für eine Evolution ihrer Charaktere. Mit dieser Entwicklung beginnt nicht nur eine Veränderung der beiden Charaktere, die diese an Profil gewinnen läßt; sondern Sayers löst auch eine Veränderung einer ganzen Literaturrichtung aus.

Dorothy L. Sayers kann man ohne Zweifel als sehr ehrgeizige Frau betrachten. Schon in ihrer Jugend hat sie durch Inszenierung kleiner Theaterstücke im elterlichen Haus ihre Kreativität bewiesen. Im Anschluß an ihre Oxfordausbildung strebt sie danach, diese Kreativität in professionelle Bahnen zu lenken. Nach einem gescheiterten Versuch als Lehrerin – einem Beruf, der ihr zuwider war – , findet sie eine Anstellung in der Werbebranche. Dort kann sie ihrer Wortgewandheit, ihrer Freude an Wortspielen freien Lauf lassen und ist beteiligt an vielen erfolgreichen Kampagnen.[3]

Sayers entwickelt eine Leidenschaft für die Kriminalromane von Wilckie Collins und Sheridan LeFanu. Sie ist begeistert von deren Fähigkeit, die Lösung eines Kriminalfalles mit der Beschreibung der Gesellschaft einer Epoche zu verbinden. In den Detektivromanen ihrer Zeitgenossen aber sieht sie eine Stagnation des Genres. Sayers als ehrgeizige Frau will mit ihren Werken mehr erreichen, als zu unterhalten. Sie will den Detektivroman wieder zur Literatur machen.

Ihre ersten Werke bleiben jedoch den Romanen ihrer Zeitgenossen sehr ähnlich. Obwohl sie sich schon von Anfang an mehr für die Hintergründe, das Wie und Warum, als für das bloße Finden des Mörders in alter Whodunnit-Manier interessiert hat, bleibt ihr Held Lord Peter Wimsey oberflächlich. Aber er kommt der Aufgabe nach, für die er geschaffen wurde: Er kommt für Dorothy L. Sayers’ Lebensunterhalt auf. Nachdem Sayers sich einen Ruf als Detektivromanautorin erworben hat und auch finanziell eine gewisse Sicherheit eingetreten ist, entsinnt sie sich ihrer alten Ideale und geht mit der Veränderung ihres Helden ein Risiko ein. Sie will nun nicht mehr nur kommerziell erfolgreich sein.

Sayers will, daß der Detektivroman wieder zum Instrument für die Beschreibung sozialer Umstände wird. Ihm soll es wieder möglich werden, Menschen einer Epoche oder einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht um ihrer selbst willen darzustellen. Zu diesem Zweck startet sie den Versuch, dem Detektivroman die realistischen Züge einer novel of manners, eines Gesellschaftsromans, zu verleihen. Sayers wünscht sich auch, mit dem Detektivroman eine Botschaft transportieren zu können. Ihr Anliegen, den Menschen die Bedeutung ihrer Arbeit, die sie täglich leisten, wieder näher zu bringen, persönliche Integrität als Lebensmittelpunkt zu verankern, läßt sich im Rahmen des Detektivromans hervorragend umsetzen.

In der vorliegenden Arbeit soll dargestellt werden, inwiefern die Figur der Harriet Vane auf den Detektiv Lord Peter Wimsey Einfluß nimmt und wie dieser sich im Verlauf der Romane Whose Body?[4], Strong Poison[5] und Gaudy Night[6] verändert.

Weiterhin soll gezeigt werden, auf welcher Basis Dorothy L. Sayers operieren konnte, wie die Partnerin des Detektivs, Harriet Vane, zur Entwicklung des Lord Peter Wimsey beiträgt, worin diese Entwicklung besteht und mit welchen stilistischen Mitteln Dorothy L. Sayers arbeitet, um die Humanisierung ihres anfangs noch marionettenhaften Helden zu erreichen. Zudem soll aufgezeigt werden, daß damit auch eine Entwicklung des Detektivromans einhergeht.

In Dorothy L. Sayers’ erstem Roman Whose Body? lernen wir Lord Peter Wimsey in seiner ursprünglichen Art kennen. Strong Poison ist der Roman, in dem zum ersten Mal Harriet Vane eingesetzt wird. Gaudy Night letztendlich ist das Werk, das am stärksten Sayers’ Botschaft vermitteln soll, und zudem der Roman, in dem Harriet und Peter eine gemeinsame Basis finden können. Darüber hinaus werden zum besseren Verständnis weitere Werke Dorothy L. Sayers’ zitiert. Auch ihre Sachtexte werden herangezogen, soweit sie für das Thema “Intellektuelle Integrität” relevant sind.

In der kritischen Literatur findet man die verschiedensten Definitionen für das Genre. Häufig wird auch zwischen Detektivroman, -erzählung und -geschichte unterschieden. Ich habe mich dafür entschieden, in dieser Arbeit nicht zwischen den drei genannten Kategorien zu unterscheiden. Damit soll der Intention der Autoren Rechnung getragen sein, für die Detektivromane zur gleichberechtigten Literatur zählen. Außerdem soll auch festgehalten sein, daß eine Literaturgattung, in deren Handlung Morde aufgeklärt werden, bei der die Opfer nicht immer bemitleidenswerte Menschen sind, und in der Täter beweint werden, durchaus nicht eskapistisch ist. Es werden Kritiker zu Wort kommen, die Sayers’ Werke mit Thomas Manns Zauberberg vergleichen und Bachs Werke als Symbol für das Verhältnis zwischen Harriet Vane und Lord Peter Wimsey heranziehen. Literaten werden ihren Kommentar zu Detektivromanen geben und Philologen, die sich mit der Detektivliteratur beschäftigen, werden den Verlust des Rätselromans bedauern. Auch die moralische Seite des Detektivromans soll nicht unerwähnt bleiben. Um mit Lord Peter Wimsey zu sprechen:

“‘(I)n detective stories virtue is always triumphant. They´re the purest literature we have.’”[7]

Inhaltsverzeichnis


Kapitel 2 Die klassische Detektivgeschichte


[1]       John Brabazon: Dorothy L. Sayers, The Life of a Courageous Woman, S. 86 f., London: Gollancz,. 1981

[2]       “The Detection Club Oath” ohne Verfasser  in: The Art of Mystery Fiction, S. 197-202, Herausgeber: Howard Haycraft, New York: Simon and Schuster, 1946

[3]       Vgl. Brabazon, S. 135-138. Einen ihrer Werbesprüche für Guinness kann man noch heute häufig finden.

[4]       Dorothy L. Sayers: Whose Body?, London: Hodder and Stoughton, 1993, Erstveröffentlichung: London 1923

[5]       Dorothy L.Sayers: Strong Poison, New York: Harper, 1995, Erstveröffentlichung: London, 1930

[6]       Dorothy L. Sayers: Gaudy Night, London: Hodder and Stoughton, 1990, Erstveröffentlichung: London, 1935

[7]       Strong Poison, S. 132